Gerade gestern las ich, dass in Westrussland ein Tanklager brennt, offenbar nach einem Drohnenangriff. Mit dem etwas zynischen Zusatz (der russischen Nachrichtenagentur) unter der Meldung „Gefahr für die Anwohner bestehe aber nicht.“
Im roten Meer sinkt ein Frachter mit 21.000 Tonnen Ammoniumphosphat-Sulfat-Dünger. Auch wenn dieses Düngemittel anscheinend (Produktdatenblatt) zu den weniger problematischen Düngern gehört, ist ein Eintrag in dieser Menge für das Ökosystem vor Ort trotzdem eine ökologische Katastrophe.
Kaum jemand denkt noch an Syrien, wo seit 2011 ein brutaler Bürgerkrieg herrscht. Syrien war bis dahin ein reiches Land, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Mehrere Religionen lebten in relativ guter Nachbarschaft miteinander, das Schul- und Hochschulsystem war hoch angesehen, auch über die Grenzen des Landes hinaus. Und nun?
Egal, wo auf der Welt Krieg herrscht, die Opfer jedes Krieges sind nicht nur die Menschen, die unmittelbar an den kriegerischen Handlungen sterben oder an Körper und Seele verletzt werden. Nicht nur das militärische Personal oder die Wehrpflichtigen.
Opfer sind auch in hohem Maße die Kinder und Jugendlichen der betroffenen Regionen, denen nicht nur ihr Urvertrauen genommen wird, sondern auch das unbefangene Aufwachsen. Opfer sind die Alten, die ihren Lebensabend nach Jahrzehnten der Erwerbstätigkeit nicht in Sicherheit genießen können. Opfer sind, selbst wenn sie sich im Ausland in Sicherheit bringen können, die Angehörigen der Kämpfenden. Bis heute in den meisten Fällen Frauen: Ehefrauen, Mütter, Schwestern. Angst und Ungewissheit über das Schicksal ihrer Männer, Söhne und Brüder begleiten sie stets.
Die Natur leidet unter Kriegen. Wenn schon nicht auf Menschen geachtet wird, wie viel weniger erst auf die Ressourcen, die uns unsere Mitwelt zur Verfügung stellt.
Fossile Brennstoffe werden in großem Stil verbrannt, ob im Kriegsgerät oder in den Raffinerien, die in Brand gesetzt werden. Diese fehlen später beim zivilen Aufbau und verseuchen die Regionen auf lange Zeit.
Stahl, Aluminium und andere Metalle sind ebenfalls keine unendlich verfügbaren Materialien. Sie verbrauchen wahnsinnig viel Energie bei der Herstellung und werden in Kriegen im wahrsten Sinn des Wortes verheizt.
Ernten werden vernichtet. Ganz unmittelbar durch Plattwalzen mit schweren Fahrzeugen, mittelbar durch das Verrotten auf den Feldern, wenn keiner da ist, der erntet. Und auf Jahre hinweg, weil der Ackerboden oft auf lange Zeit durch Minen, Bomben etc. eine potenzielle Todesfalle darstellt.
Gebäude, Straßen, Brücken, Energieversorger, alles, was der Mensch an Infrastruktur benötigt, wird zerstört. Oft so gründlich, dass die Trümmer nicht recycelt werden können. Jede Menge Baustoffe sind verloren. Auch das verursacht immense Kosten für die Menschen, die irgendwann einen Wiederaufbau angehen müssen, aber auch für die Umwelt, weil noch einmal ungeheure Mengen an Rohstoffen und Energie verwendet werden müssen.
Teils uralte kulturelle und künstlerische Werte werden zerstört, oftmals aus ideologischen Gründen. Die Geschichte der Menschheit verliert wichtige Zeitzeugen früher Hochkulturen, wie die assyrischen Baudenkmäler im Irak, die vom IS dem Boden gleich gemacht wurden.
Diese Aufzählung ist unvollständig, weil es vermutlich kaum möglich ist, jede Auswirkung der Kriege auf dem Schirm zu haben. Aber alles sind wichtige Details, die es zu bedenken gilt. Am schlimmsten ist in der heutigen Zeit allerdings meiner Meinung nach der Verlust an Vertrauen auf allen Seiten. Vertrauen darin, dass andere Menschen (auch solche aus der Bevölkerung des „Feindes“, die ja auch nicht ausschließlich kriegslüstern ist) einen guten Plan für die Zukunft haben. Vertrauen, dass die meisten Menschen nicht das Schlimmste für ihre Mitmenschen im Sinn haben. Vertrauensverlust, weil viele Leute sich getäuscht und hinters Licht geführt fühlen; weil sie in der Folge nicht mehr unterscheiden können oder wollen, wer es gut mit ihnen meint und wer sie anlügt.
Während ein gegenseitiges Mindestmaß an Vertrauen in unserer Zeit das ist, was wir am dringendsten brauchen, um mit den vielen unterschiedlichen Herausforderungen klarzukommen, wird es an vielen Orten der Welt regelrecht verballert.
Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich ratlos bin. Dass ich nicht weiß, wie der beste Weg aussieht, einen umfassenden Frieden zu erzielen. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass die Autokraten und Diktatoren der Welt zu friedlichen Lämmern werden, wenn man ihnen kein Kontra mehr gibt.
Diplomatie ist ein wichtiger – wenn nicht sogar der Wichtigste – Weg. Aber nicht zu den Bedingungen von Unterdrückern.