Merkwürdige Zeiten

Von Abschieden, Wehmut und düsteren Träumen

Freitagabend. Wieder erleben wir, wie öfter in der letzten Zeit, ein „letztes Mal“.
Für unsere jüngste Tochter, aber auch für uns. Bei jedem von uns (Papa, Mama, große Schwester – im Vorfeld sogar bei der anderen großen Schwester, die nicht dabei sein kann) macht sich ein wenig Wehmut breit.
Das letzte Sommerkonzert. Das letzte Mal im vollbesetzten Forum applaudieren, freuen, schrägen Ansagen der Musiklehrer lauschen, mitsingen, Zugabe einfordern…

Aber zum Glück hat sich noch etwas anderes eingeschlichen:
Ein „erstes Mal“ war vom Publikum nicht nur Singen gefordert, sondern auch Körpereinsatz, als die Brassband den Time Warp aus der Rocky Horror Picture Show spielte, von einem Schüler der Q1 dirigiert.
Und er dirigierte virtuos nicht nur die Band, sondern das Publikum gleich mit. Kunststück, kannten doch vermutlich mehr Eltern und Großeltern sowohl Film, Song als auch Tanz als es bei den Schülerinnen und Schülern der Fall war.
Oscar, auch wenn du das hier wohl eher nicht lesen wirst: DANKE!

Die andere „Neuigkeit“ wurde von unserer Ältesten mit dem Satz: „Symbolbild für das deutsche Schulsystem“ (wobei sie eher die bauliche Situation meinte) ironisch kommentiert. Im ersten Drittel des Konzerts ging über Porta Westfalica ein Starkregen herab (später sah ich zuhause am Regenmesser: 22 Liter/qm waren innerhalb kürzester Zeit runtergepladdert), der sich seinen Weg auch durch das undichte Dach bis ins Forum bahnte und Menschen zum hektischen Platzwechsel veranlasste, während Schülerinnen und ein Lehrer sämtliche Putzeimer und Feudel aktivierten…
In der Konzertpause stellte sich dann noch heraus, dass der Bandkeller ebenfalls geflutet wurde, vermutlich durch ein undichtes Fenster.
Ärgerlich, aber die Schulleitung hat nun jede Menge Zeugen, die gern bestätigen werden, dass die Stadt investieren muss!

Ob irgendjemand von den Programmverantwortlichen eine Vorahnung hatte? Die Songs, die auf die unfreiwillige Dusche folgten, waren unter anderem:
Sunroof, Bring me little water Silvy und Skyfall.
Egal. Wichtig ist und bleibt die tolle Stimmung während des Konzerts und die erneute Feststellung, dass zwischen allen Beteiligten: den unterschiedlichen Chören, dem Orchester, der Brass Band, den kleinen Gruppen Vokalpraxis und Violino Virtuoso sowie den MusiklehrerInnen ein vertrautes und partnerschaftliches Miteinander im Umgang herrscht sowie der unbedingte Wille, dem Publikum und sich selbst ein rundum schönes Konzerterlebnis zu bieten. So sollte Schule viel häufiger erlebbar sein.

Ich dachte im Lauf des Abends mit ein wenig Wehmut daran, wie viele Sommer- und Weihnachtskonzerte wir hier erlebt haben, leider durch die Corona-Zeit unterbrochen, in der manches abgerissen ist, unter anderem die musikalische Ausbildung der jüngeren Schüler. Wie aufgeregt wir waren, als unser Küken zum ersten Mal mit dem Unterstufenchor auf der Bühne stand, wie groß die Freude war, als das erste Konzert nach der Pandemie wieder stattfinden konnte.
Ich ließ die Jahre Revue passieren: wie sehr sich unser Mädel von der schüchternen Fünftklässlerin entwickelt hat, die mit persönlichen, sehr großen und kräftezehrenden Herausforderungen zu kämpfen hatte, wie sie zu einer reflektierten, für sich selbst (und alle , die ihr wichtig sind) einstehenden jungen Frau herangereift ist.
Und auch, wie sehr wir als Eltern dankbar für alle unsere Töchter sind, die so unterschiedliche Begabungen haben, aber sich alle drei ihren Platz im Leben erarbeitet haben und es weiterhin tun.

Dummerweise habe ich gerade in diesem Sommer, in dem unsere Tochter relativ unbeschwert ihre Jugend genießen kann, mal nicht so auf Zeiten achten muss und sich Freiheiten herausnehmen darf, ein abgeschlossen geglaubtes Problem mit diffusen, unheilvollen Träumen.
Nach langen Jahren Ruhe davon. Denn es gab eine Zeit, da wollte ich nicht mehr träumen.
Das erste Mal träumte ich, ich käme von der Kursfahrt nach Wien zurück und mein Vater wäre nicht mehr da. Ich kam nach Hause und mein Vater war gestorben, während ich Wien unsicher machte.
Das zweite Mal träumte ich vor einem Frankreich-Urlaub, dass wir einen Unfall hätten und so kam es dann auch.
Das dritte Mal schließlich verabschiedete sich in der Nacht meine Mutter von mir und am nächsten Tag bekam ich den Anruf aus dem Krankenhaus…

In den letzten Wochen hatte ich immer mal wieder sehr diffuse Träume, in denen ich ein nicht definierbares Unglück spürte. Alles wie in Watte gehüllt und doch präsent. Ich glaube nicht wirklich, dass ich für Spökenkiekerei empfänglich bin. Verstandesgemäß ist es nicht einmal weit hergeholt in diesen unruhigen Zeiten, die mir anscheinend mehr zu schaffen machen als ich mir eingestehen mag, dass ich Mist träume und dabei Ängste verarbeite.
Allerdings: wenn alle anderen zuhause sind, soweit ich es überblicken kann, projiziere ich vermutlich alles Unbehagen, das mich erfasst, wenn ich aus solchen Träumen aufwache, auf die einzige Person, die fröhlich feiernd die Nacht zum Tag macht. Leider führt das dazu, dass ich mich wie eine gluckende Henne verhalte. Ich ärgere mich über meine Schreckhaftigkeit und schimpfe mit mir wie ein Rohrspatz, aber kann auch irgendwie nicht aus meiner Haut.

Wird Zeit, dass Urlaub ist. Und mehr Zuversicht in der Gesellschaft wäre auch toll.

Nationalpark nein danke!

Der Teufel steckt auch hier vermutlich im Detail:
Im Konjunktiv😉
Aus der Möglichkeitsform machen wir eine Unmöglichkeit

Die Bedenkenträger haben sich durchgesetzt. Allen positiven Beispielen zum Trotz: Bayerischer Wald, Wattenmeer, Müritz, Eifel …
Nach dem Aus der Nationalparkplanungen an der Ostsee in Ostholstein hat es nun auch Ostwestfalen erwischt.
Ob es an der geographischen Ausrichtung liegt? Wohl eher nicht, obwohl vieles, das mit „Ost-„ beginnt, zurzeit als problematisch wahrgenommen wird.

Das eigentliche Problem ist meiner Meinung nach darin zu suchen, dass es zu wenig Ermöglichungspolitik gibt. In Krisenzeiten, die so vielschichtig sind wie augenblicklich, neigen wir Menschen dazu, uns auf Konzepte zurückzuziehen, die wir kennen, die uns bewährt erscheinen (ob sie es tatsächlich sind, darf gern zwiespältig gesehen werden).
In der gemeindepädagogischen Ausbildung haben wir ein Modell, das bei der Besiedelung neuer Lebensräume gilt, auf die Kirche übertragen. Für die aktuelle gesellschaftliche Lage passt es aber ebenfalls.

Leider finde ich die Unterlagen gerade nicht wieder (es ist einfach zu viel Material, das ich durchsehen müsste), aber im Großen und Ganzen geht es darum, dass zunächst unerschrockene Entdecker vorangehen, die neues Terrain erkunden, denen folgen dann Pioniere, die beginnen, das Terrain siedlungsfähig zu machen und mit der aktiven Arbeit der Urbarmachung starten. Denen wiederum folgt eine Gruppe, die nicht ganz so abenteuerlustig sind, die aber, wenn der Anfang gemacht ist, den Plan unterstützen und mitmachen. Die letzte Gruppe wiederum setzt sich ins gemachte Nest und beginnt irgendwann, die erreichten Ziele der vorherigen Gruppen in Zweifel zu ziehen (oder sogar zu sabotieren).

In der Praxis laufen hier und heute alle diese Stadien mehr oder weniger gleichzeitig ab, anders als bei der Besiedelung des Wilden Westens beispielsweise. Natürlich gibt es Entdecker und Erfinder, die (im wahrsten Sinn des Wortes) hohe Ziele haben: den Mond und den Mars als potenziellen Lebensraum erschließen, neue Technologien für die Energiewirtschaft erforschen, unkonventionelle Konzepte für die Zukunft erdenken.
Daneben gibt es allerdings auch einen besonders großen Zulauf zu den Gruppen der Bewahrer und Skeptiker, die sich auf keinen Fall auf etwas Neues und Unbekanntes einlassen wollen. Und erst recht nicht auf langwierige Diskussionsmarathons.

Schade eigentlich.

Ich muss dazu sagen: Ob ein Nationalpark an einer bestimmten Stelle sinnvoll ist oder nicht, kann und mag ich nicht ad hoc beurteilen. Darum geht es mir auch gar nicht.
Allerdings muss es doch (nicht nur in der Nationalparkdiskussion) möglich sein, Argumente auszutauschen, ohne dabei nur mit den Ängsten der betroffenen Menschen zu spielen. (Vielleicht mal die Marketingfachleute der Automobilindustrie fragen, die können positives Storytelling geradezu vorbildlich😉)
Würde in der freien Wirtschaft (oder auch in der Forschung) so gezaudert wie zurzeit in der Politik, dann säßen wir heute nicht in der vergleichsweise komfortablen Situation, in der wir uns immer noch befinden.
Beherzt etwas beginnen, einen festen Zeitrahmen für Evaluationsstufen setzen, immer wieder möglichst konkrete Erfahrungswerte abfragen – und im schlimmsten Fall zum Ergebnis kommen: Nice try, hat aber leider nicht funktioniert. Das wünsche ich mir.
In sehr vielen Fällen dürften wir aber eher positiv davon überrascht werden, was wir alles hinbekommen, wenn wir es anpacken, statt davor zu sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange.

Mal wieder am Wasserstraßenkreuz

Ich war jetzt schon ein paar Wochen nicht mehr dort, aber am Montag hatte ich wieder einmal etwas Zeit in der Mindener Nordstadt zu überbrücken.
Das Wasserstraßenkreuz ist jedes Mal ein Ort, an dem ich zur Ruhe komme und immer wieder etwas Neues wahrnehme.

Als ich von Leteln aus kommend Richtung Weserschleuse fuhr, sah ich bereits das Containerschiff in der Schleuse, es war soeben von der Weser hochgeschleust worden. Nach der Ausfahrt oben bog es Richtung Hannover ab. Mindestens 20 Frachtcontainer haben Platz auf dem Schiff. Also sind das auch mindestens 20 LKWs weniger auf der Straße. Daumen hoch.
Der Anker und die Steuerbordtonne liegen als Ausstellungsstücke vor dem Informationszentrum. Beide sind nicht nur unverzichtbar in der Seefahrt, sondern geben auch symbolisch uns Landratten Halt und Orientierung. Während der Anker uns davon abhält, unbeabsichtigt bei starkem Wind oder Strömung von unserem Liegeplatz (oder eher Lebensplatz) abzutreiben, versichern uns die Tonnen, dass wir uns noch im sicheren Fahrwasser und auf Kurs befinden.

An der Sympherstraße stehen einige sehr hübsche Fachwerkvillen in diesem Stil. Ein festes Fundament aus Wesersandstein trägt eine Konstruktion, die gleichermaßen fest wie flexibel ist. Wer wie ich in einem Fachwerkhaus wohnt, wird das Knarren und Ächzen, mit dem das Holz auf jegliches Wetter reagiert, kennen und nicht missen wollen. Leider kann ich auf die Schnelle nichts darüber finden, welche Familien ursprünglich mal in diesen Häusern wohnten. Vermutlich entweder Ingenieure oder Verwaltungsbeamte, die etwas mit dem Kanalbau zu tun hatten oder gutsituierte Binnenschifferfamilien, ich werde mal weiterforschen.
Der Teich auf dem Bild rechts gehört zu einem Privatgrundstück. Sehr malerisch sieht das aus und für alle, die das erste Mal in diesen Stadtteil kommen, ist er anscheinend eine schöne Überraschung. Jedenfalls konnte ich, wenn ich mich in der Nähe aufhielt, bereits mehrfach begeisterte Ausrufe vernehmen.

Leider musste ich mich dann doch noch ein bisschen über manche ignoranten Mitmenschen ärgern, was mir den kleinen Ausflug fast verdorben hätte. Auf dem Foto ist nur ein Bruchteil des Fastfood-Mülls zu sehen, der über mehrere Parkflächen hinweg auf dem Parkplatz verstreut lag. Nicht nur Verpackungen, sondern auch zertrampelte Lebensmittel. Die Krähen von der Friedhofskolonie und die Möwen, die am Wasserstraßenkreuz in Scharen anzutreffen sind, wird es gefreut haben.
Ich komme zu dem Schluss, dass es die großen Fastfood-Ketten immer noch nicht allzu ernst nehmen mit dem Mehrweggeschirr und dass es Menschen gibt, denen fünf Meter zum Mülleimer zu weit sind.
Wenn es dir beim Ansehen ebenso geht wie mir, dann scroll doch mal hoch und schau dir den Beginn des Beitrages noch einmal an. Hat mir auch geholfen😊.

Lange, aber wichtige Sendung

Und sehr nachdenkenswerte Impulse:

https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/europaforum/wdr-europaforum-2024-clip-wdr-europaforum-2024-eu-gegenueber-extremismus-100.html

Die Sendung dauert (leider oder zum Glück, je nachdem*) über drei Stunden.
Kleiner Tipp: Das Video kann in der Abspielgeschwindigkeit individuell eingestellt werden (über das Zahnrad unten rechts im Video, wenn man mit der Maus draufgeht).
Ich habe auf 1,5fach beschleunigt, aber in den Momenten, wo ich genauer zuhören (oder mir sogar Notizen machen) wollte, habe ich dann auf 0,75 gedrosselt.

Über einzelne Thesen kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein, man soll und muss es sogar. Aber es werden ungemein viele Fragen gestellt, die dringend ausgehandelt und durchdekliniert werden müssen. Und zwar auf allen Ebenen. Im Europaparlament, in der Kommission, in den Mitgliedsstaaten und denen, die es werden möchten, in Bundesländern, Kommunen und bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Denn wir brauchen unbedingt Hintergrundwissen, das uns mündige Entscheidungen ermöglicht, wenn wir etwas ändern wollen. Wenn wir eine Entwicklung anstreben, in der die Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit im Mittelpunkt stehen. Wir werden zwar den ganzen Tag und auch noch die Nacht berieselt mit Information und Desinformation; mit Polemik und Demagogie in vermeintlich seriösem Gewand, die wir von Tatsachen kaum unterscheiden können, aber wir haben immer mehr Meinung und immer weniger Wissen.

Da fällt mir eine kleine Seitenfrage ein, die damit aber zu tun hat:
Warum erzählt man immer noch und immer wieder der BILD-Zeitung als Leitmedium, wie in Berlin oder anderswo Entscheidungen gefällt werden? Man könnte ebenso die FAZ und die SZ als Beispiel für konservative oder progressive Presseerzeugnisse auswählen und beiden dieselben Infos zukommen lassen. Ich gehe davon aus, dass der Informationsgehalt bei beiden deutlich seriöser und sinnvoller wäre.

Mich hat ein Statement von Frau Zadoff (NS-Dokumentationszentrum München) stutzig gemacht, die sinngemäß sagte (am besten selbst anhören, es lohnt sich wirklich, auch in normalem Tempo), der Populismus sei inzwischen so normal geworden, dass er zunehmend nicht nur politische, sondern alle Diskussionen durchdringe. Und dass es doch viel besser sei, statt alles schlechtzureden, gemeinsam zu überlegen, was und wie man besser machen könne mit einer inklusiven, wertebasierten Leitkultur (!JA! Sie hat Leitkultur gesagt. Und damit etwas ganz anderes gemeint als Friedreich Merz.) anstelle eines Kulturkampfes über Nebenschauplätze wie das Gendern.

Weniger Meinung, mehr Haltung. Das unterschreibe ich gern.
Wobei: Meinung darf sein. Aber immer gepaart mit der Bereitschaft, sich andere Meinungen anzuhören und sie zu prüfen. Daraus entsteht dann die Haltung. Und die kann auch mal lauten „Ich wünsche mir Frieden. Aber ich bin in der verzwickten Situation alles andere als sicher, wie wir ihn am Besten erreichen.“

*Leider, weil es anstrengend ist, zum Glück, weil richtig gut diskutiert wird, statt kurze Statements übereinander her in die Luft zu brüllen. Aber man kann das Ganze ja auch in Portionen gucken.

Trolle, Fake-Accounts und Sex-Bots

Symbolbild: Pixabay

Ich habe sinnvolleres zu tun, als immer wieder Accounts zu blockieren. Darum habe ich mich entschlossen, wenigstens meinen Haupt-Account auf Instagram vorläufig auf „Privat“ umzustellen. Das gefällt mir überhaupt nicht, denn über Insta habe ich im Frühjahr ganz langsam begonnen, neben dem Blog eine Social-Media-Präsenz aufzubauen, die zukünftig dem schreiberischen Eigenmarketing dienen sollte. Alles noch ganz am Anfang, aber trotzdem doof …
Und Threads habe ich deinstalliert. Denn die Bots nahmen in dem Zeitraum extrem zu, nachdem ich mich dort angemeldet hatte. Dabei schreibe ich dort nicht einmal selbst, sondern hatte mir nur angewöhnt, zu Recherchezwecken ab und zu nachzuschauen, was Leute so verzapfen: Manches Kluge und Tiefsinnige, aber auch zu viel Schrott und geistigen Dünnpfiff.
Also Bye Bye und es ist mit Sicherheit nicht schade um die Zeit, nur um manche Inspirationsquelle, egal in welcher Hinsicht. Auch gequirlter Mist kann mitunter die Kreativität zum Sprudeln bringen…

Die Bücherkiste und die Sterntaler sind, wie es augenblicklich aussieht, zu sehr Nische, um für den Unfug anderer interessant zu sein. Da auf der Bücherkiste die Buchrezensionen für Netgalley eingestellt sind, hoffe ich, dass es so bleibt.

Sehr skurril finde ich die vielen leicht bekleideten, üppigen jungen Frauen, fast durchgängig mit sehr osteuropäisch klingenden Namen (das soll wohl exotisch wirken und ist doch ziemlich blöd für echte Namensträgerinnen dieser Namen) – wobei Instagram ähnlich geduldig sein dürfte wie Papier, was Pseudonyme angeht. Noch skurriler sind dabei allerdings die genutzten Emojis, die potente, äh, potentielle Betrachter anziehen sollen. Diese komische Mischung aus Auberginen🍆, Pfirsichen🍑 und Wassertropfen💦 würde mich eher auf Chefkoch.de umleiten, um nachzuschauen, was man aus dieser Kombi kochen kann😅.
Aber ich bin ja auch nicht Zielgruppe, sondern bestenfalls ein Kollateralschaden.

Und die angeblichen Börsengurus📈 (wahlweise Fitnesspäpste🏋️‍♂️ / Ernährungsexperten🍱 / Achtsamkeitskoryphäen🧘‍♂️), hippe, durchgestylte Männer Mitte 30, die egal wofür den Durchblick zu haben vorgeben, gehen mir regelrecht auf den Keks.
So long, schwafelt andere Leute voll mit eurem Erleuchteten-Wissen.
Ihr werdet es verkraften und ich sowieso.

Bretonische Sehnsucht

Ab 19. Juni im Buchhandel – heute bestellen, morgen lesen (oder hören)😊

Titelbild: Netgalley.de

Christian Berkel liest Jean-Luc Bannalec, eine perfekte Kombination.
Auch, wenn ich seit den Verfilmungen immer den Schauspieler Pascquale Aleardi vor Augen habe, was nicht so recht zur Beschreibung Dupins in den Büchern passt. Ein bisschen Verlust ist halt immer.
Wer letztens die Rezension von Michael Kobrs Nebel über Rønne gelesen hat, wird spätestens jetzt wissen, warum ich von zwei Büchern mit „sturmumtoste Insel, regionales Essen, viel Nebel und noch mehr Kaffee“ schrieb.

Kommissar Dupin muss in den sauren Apfel beißen, seine Angst vor dem Wasser überwinden und aufs Meer hinaus. Auf die Insel Ouessant vor der bretonischen Küste, seiner persönlichen Empfindung nach ungefähr schon auf halbem Weg nach Irland (ein Blick auf Google Earth rückt die Dimensionen zurecht, Ouessant liegt nicht mal auf halber Strecke zu den Scillys…).
Keltische Mythologie und Geschichte, ein merkwürdiger Totenritus, der irgendwo zwischen heidnischem Aberglauben und katholischer Kirche angesiedelt ist, starke Frauen (keltische Priesterinnen, Sirenen und Meerjungfrauen) und einige ungeklärte Todesfälle auf der Insel geben Dupin und seiner Truppe, die fast vollständig anreist, keine ruhige Minute. Und viele Kilometer Fahrradstrecken. Sowie natürlich reichhaltige Einblicke in die regionalen Spezialitäten der Insel.

Es könnte belehrend wirken, derart atemberaubend schnell und stakkatoartig in die keltische Geschichte der Bretagne im Allgemeinen und Ouessants im Speziellen eingeführt zu werden, aber mit den überzeugenden Figuren, zum Beispiel Inspektor Cadec, dessen Charakter ein etwas pedantisches wandelndes Speziallexikon seiner Region darstellt, ist es eher amüsant.
Wie gewohnt hatte ich eine Menge Spaß und bin auch wieder ein Stück schlauer geworden. Wer gern Bannalec liest, wird Schwierigkeiten haben, das Buch bis zum Urlaubsbeginn im Koffer zu deponieren.

Bibliographische Angaben: Jean-Luc Bannalec, Bretonische Sehnsucht,
Buch: Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-00246-1, 18,- €
Hörbuch: Argon Verlag, ISBN 978-3-8398-2109-1, 20,- €

Mutbürger statt Wutbürger

Das ist mein Wunsch, nicht nur für diese Woche. Im Zuge der Überarbeitung meiner Montagsmotze seit Januar 2023 für das Buchprojekt stapeln sich inzwischen die Fragen, die ich mir immer wieder stelle:
Warum sind wir fast alle so gereizt?
Warum blicken so viele (oder auch nur besonders laute?) Leute nur auf ihre eigenen Bedürfnisse und Sichtweisen, ohne ihre Mitmenschen im Blick zu haben (oder haben zu wollen)?
Warum gestehen anscheinend immer mehr Menschen den ihnen gegenüberstehenden Leuten nicht zu, dass sie ebenso valide Ansprüche haben, nur eben andere?

Das Auto ist nur ein Beispiel, aber eines, das enormes Streitpotenzial hat. Entwicklungsgeschichtlich sind wir am längsten Fußgänger. Und als solche werden wir auch immer noch geboren (zum Glück!).
Irgendwann wurden wir Reiter, Kutschenfahrer, Radler, schließlich Autofahrer.
Und obwohl wir Autofahrer als unser Selbstverständnis abgespeichert haben, sind wir auch immer noch sehr viel zu Fuß unterwegs.
Aber wann immer irgendwo eine Straße verkehrsberuhigt werden soll, ein Parkplatz entsiegelt, mehr Fahrspuren für Radfahrer geschaffen werden sollen, Aufenthaltsqualität für spielende Kinder, bodenschachspielende Rentner, strickende Mütter und Väter, schattige Plätze für Picknicks …
geht scheinbar nicht nur das Abendland unter, sondern die ganze Welt. Dann wird den Autofahrenden etwas Essentielles weggenommen. Eine regelrechte Kastration.

Ganz sicher brauchen wir mehr Öffis, mehr Nähe zu unseren Arbeitsplätzen, mehr Nahversorgung.
Aber wir brauchen vor allem mehr Mut, andere Erzählungen, ein positives Storytelling. Und mehr Wutenergie, die sich in Mutenergie wandelt.
Mehr Vertrauen in uns und unsere Wirkmächtigkeit, wenn wir nicht nur gegen Rechts, gegen Krieg, gegen Migration oder gegen irgendetwas anderes demonstrieren, sondern für eine lebenswerte Umgebung, in der unsere Kinder und Enkel aufwachsen. Für gesunde Wege und Städte, in denen Kinder nicht immer früher bereits an Asthma erkranken, weil sie im Buggy, Kinderanhänger, auf dem Laufrad oder zu Fuß ziemlich genau auf Auspuffhöhe unterwegs sind.
Warum nehmen wir das hin?

Und ja, ich höre es schon: Die Politiker (vor allem die Grünen) sind schuld.
Die schaffen es nicht, uns mitzunehmen. Die wollen uns nichts ermöglichen, sondern gegen unseren Willen aufzwängen.
Kann man so sehen.
Aber aus welchen Erfahrungen heraus verhalten sie sich so?
Erzählungen von positiven Möglichkeiten fruchten nicht. Können sie auch nicht, weil etwas anderes (die Wirtschaft, die Arbeitsplätze, die Finanzen, die Umstände…) immer wichtiger ist. (Nur: ohne gesunde Lebensgrundlagen ist der ganze wichtige Rest nichtig.)
Weil es Parteien gibt, die auf der Bremse stehen, weil sie laut in die Gegend krähen, was alles NICHT funktioniert und damit mehr Gehör finden (ist ja auch bequemer als tätig zu werden).
Weil wir Angst haben oder manchmal auch schlichtweg zu faul sind, den Status Quo zu ändern. Weil wir auf eine verquere Art immer noch glauben, „Das Ende der Geschichte“ sei erreicht. Aber anders, als es Francis Fukuyama meinte.
Und weil die Politik unsere Echokammer ist, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht.

Die große Frage, die sich mir immer wieder stellt, ist aber:
Warum zum Henker sind wir in großen Teilen bereit zu glauben, dass mehr von den alten Methoden, die uns in die Misere gebracht haben, geeignet ist, andere Ergebnisse zu bringen und etwas zum Guten zu verändern?

Ich erwarte deutlich mehr von uns. Bis hier sind wir schließlich auch gekommen. Aber nicht durch Däumchendrehen, Aussitzen und Abwarten.

Demnächst wird hier rezensiert:
Christian Stöcker; Männer, die die Welt verbrennen.
Aus Gründen …

(Selbst-)Vergewisserung

Symbolbild: Pixabay

Psalm 103

Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Gott, ich feier‘ dich, von meinen Zehenspitzen bis zum Scheitel.
Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:
Ich danke dir für alles, was mir in der letzten Zeit gelungen ist, für meine Familie, Freunde und alles, was mich stärkt.
der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,
Echt jetzt? Alle anderen halten mir meine Fehler vor, aber du nicht? Und du kannst mir Gesundheit geben?
der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,
Das ist mal ein Tauschgeschäft! Ich kann dir meine Sorgen überlassen und du schenkst mir Freundlichkeit und Mitgefühl. Deal!
Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.  
Und weil ich so ungeduldig bin, kann ich noch viel von dir lernen😅.
Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.
Du bist nicht nachtragend und du zahlst auch nicht mit gleicher Münze heim.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.
Bis zum Mond und wieder zurück, so lieb hast du uns, Gott!
So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein.
Meine Vergehen sind so weit von dir entfernt wie mein Verständnis von Mathematik. Und das ist ganz schön weit weg!
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.
Ich gehöre zu dir und bin dein geliebtes Kind!

Amen!

Die fettgedruckten Zeilen sind der Psalmtext in der Luther-Übersetzung. Die kursiven habe ich als meine eigenen Zwischenrufe dazugeschrieben.
Heute, am 16. Juni 2024 beten wir diese Form des Psalms zu zweit im
Einmal Anders-Gottesdienst.

Der Psalm wird dem israelitischen König David zugeschrieben. Dieser König David, der Gott schon fast „über den grünen Klee“ lobt, ist keineswegs ein Musterknabe. Ja, er gehört zweifellos zu den großen Königen, er ist Vorfahre Jesu und er ist das Paradebeispiel eines sozialen Aufstieges: Vom Schafhirten und jüngsten Sohn einer Familie zum mächtigen König.

Er hat viel Gutes für sein Volk getan. Als schmächtiger, halbwüchsiger Junge hatte er mit einer Steinschleuder den riesenhaften Philister Goliath besiegt. Er hat zu einem friedlichen Miteinander aufgerufen. Er hat für Gerechtigkeit gesorgt.
Aber: er ist mit zunehmender Macht auch zum Getriebenen seiner Begierden geworden. Blut klebte an seinen Händen, nachdem er seinen Armeehauptmann in den sicheren Tod geschickt hat, weil er sich in dessen Frau verliebt hatte und sie unbedingt besitzen wollte.

Dieser David war ein Mensch wie wir, zwiegespalten in mancher Hinsicht. Er tat Dinge, die er anders von den Mitmenschen einforderte. Er unterließ manches, was er sich vorgenommen hatte. Er scheiterte an seinen eigenen Ansprüchen. Aber Gott hatte trotz allem Großes mit ihm vor. Und das vergaß David nicht.
Ich weiß nicht, in welcher Situation David den Psalm schrieb. Ob es in einer Phase war, in der er sicher war, „das Richtige“ zu tun? Oder ob er ihn in tiefer Beschämung verfasste, nachdem ihm klargeworden war, welchen Preis er dafür zahlen musste, um Bathseba zu seiner Frau zu machen?

Vielleicht war er wirklich zu der Zeit fest davon überzeugt, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, gesegnet zu sein, gut zu regieren.
Vielleicht musste er sich aber auch nach seinem tiefen moralischen Fall vergewissern, dass er nicht der ewigen Verdammnis zum Opfer fallen würde. Dass er trotz aller Fehler, trotz seiner Verfehlungen, immer noch im Grunde ein liebenswerter Mensch sein konnte. Jemand, der von Gott geliebt und anerkannt wurde, selbst wenn seine Mitmenschen ihn möglicherweise gerade zum Mond wünschten.

Ein paar Dinge muss ich erläutern, damit wir heute den Psalm nicht komplett missverstehen.
Zum Beispiel den Punkt mit der Gesundheit:
Zur Zeit des alten Testaments bestand der feste Glaube der Menschen, körperliche Gesundheit habe etwas mit dem moralischen Lebenswandel zu tun. Wer mit Krankheit, egal ob körperlich oder seelisch, geschlagen war, der hatte entweder selbst schwere Sünde auf sich geladen oder war das Kind von Sündern.
Gesundung bedeutete also in erster Linie Sündenvergebung.
Der andere Punkt ist das „fürchten“. Hier ist nicht Furcht im Sinn von Angst oder Grauen gemeint, sondern Ehrfurcht. Heute würden wir „Respekt“ sagen.

Was ich an diesem Psalm bemerkenswert finde:
Er spricht mir Gnade zu in Zeiten, in denen ich mit mir selbst und anderen nicht gnädig sein mag.
Er versichert mich in Augenblicken, in denen ich mich ungeliebt und wenig liebenswert fühle, der unverbrüchlichen Liebe Gottes [und das phantasischerweise ohne zu fordern „wenn du … (hier beliebige Forderung einsetzen: heterosexuell bist, Kirchensteuer zahlst, jeden Tag betest, regelmäßig in den Gottesdienst gehst…)“]. Der einzige „Gegenwert“, den Gott sich wünscht, ist unser Respekt. Verständlich, denn Respekt gehört zur Liebe dazu.
Er ruft mir ins Gedächtnis, dass es da jemanden gibt, der mir immer zuhört, auch wenn ich mich von der ganzen Welt unverstanden fühle oder den größten Stuss rede. Und der Geduld mit mir hat, wenn alle weltliche Geduld aufgebraucht ist.

Besonders eindrücklich gibt mir der Psalm all dieses in den schweren Augenblicken, in denen ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe. In denen alles über mir zusammenbricht und ich im Chaos kein Bein mehr an die Erde kriege.
Es ist allerdings nicht garantiert, dass damit alles sofort wieder gut ist oder dass ich jeden Wunsch erfüllt bekomme, wie ich mir das vorstelle. Denn manchmal hat Gott ganz einfach anderes für mich im Sinn als ich selbst.
Die Stärke des Psalms liegt darin, mir einen Perspektivwechsel zu erlauben, mir einen Ausweg aus der Abwärtsspirale zu ermöglichen.
Hoffnung und Zuversicht zu geben.

Versuch macht kluch…

… oder so.

Im Winter irgendwann, als es losging mit den geschwollenen Fingergelenken, dachte ich: Es wäre toll, wenn es fingeroffene Handschuhe gäbe, die ähnlich fest wie die Handgelenksbandagen sitzen. Die dann Schutz und Stabilität geben, Schmerzen lindern und insgesamt dafür sorgen, dass ich länger durchhalte bei Haus- und Gartenarbeiten.

Letzte Woche suchte ich zwar etwas ganz anderes, aber ich fand die Handschuhe, deren Existenz ich mangels Ergebnissen schon angezweifelt hatte.
Gern hätte ich sie vor Ort gekauft, weil ich sie dann auch hätte anprobieren können. Im Sanitätsgeschäft bekam ich nach ausführlicher Suche des Mitarbeiters die Auskunft, dass es sich um Apothekenprodukte handele.
In der Apotheke konnte man mir bestätigen, dass es sie gäbe, allerdings mussten sie erst bei ihren Großhändlern anfragen, ob die solche Produkte liefern können. Können sie leider nicht. Schade eigentlich.

Na gut, also rief ich den niederländischen Online-Sanitätshandel auf, bei dem ich die Handschuhe entdeckt hatte. Da meine Handbreite exakt auf der Grenze zwischen zwei Größen liegt, habe ich mir lange und sorgfältig überlegt, ob ich die kleineren oder die größeren nehmen sollte. Ich entschied mich für die größeren und als ich eben die Ware in Empfang genommmen und gespannt ausgepackt hatte, erwies sich die Intuition als richtig.
Die Handschuhe sitzen gut: fest, aber nicht einschnürend, selbst wenn die Knöchel noch etwas anschwellen, dürfte es nicht unbequem werden. Für Alltagstätigkeiten sind die Noppen klasse, um einen guten Griff ohne Abrutschen zu garantieren. Das Gestrick besteht aus einem Baumwoll-Elasthan-Gemisch und ist angenehm zu tragen. Ich hoffe nur, wir bekommen keinen allzu heißen Sommer, sonst könnte es schwitzig werden.
Handwäsche bis 40 Grad erhält die Sauberkeit oder stellt sie wieder her.
(Aus gutem Grund habe ich nicht die hautfarbenen bestellt.)
Gummihandschuhe für grobe Haushaltsdinge sowie Gartenhandschuhe werde ich mir wohl noch eine Nummer größer als normalerweise kaufen müssen, damit ich sie über die Rheumahandschuhe ziehen kann.

Beim Aufschreiben fällt mir eine alte Dame aus dem Ort ein, die ich, solange sie lebte, nur mit Handschuhen kannte. Im Winterhalbjahr feine Lederhandschuhe, im Sommerhalbjahr ebenso feine aus zartem Lace-Strick.
An ihr wirkten sie immer wie ein leises Statement ihrer Eleganz.
Bei mir sollen die Handschuhe eher symbolisieren, dass ich (hoffentlich wieder) mit mehr Schmackes und Ausdauer zugreifen kann.
Na, mal sehen. Ich werde beizeiten berichten.

Auf Hochtouren

Manchmal läuft es einfach gut.
Hilfreich sind dafür dann und wann Lektionen in den Lernheften, die ein „Aaaaah!“ im Kopf erzeugen. Oder die Erkenntnis, dass ich so manches, was als Tipp oder Werkzeug empfohlen wird, schon seit Jahren mache.
Das können so schlichte Dinge sein wie:
Alles, was mir alltäglich begegnet und mich anspricht, kurz aufschreiben. Menschen in ihrem ganz normalen Verhalten beobachten. Übrigens bevorzugt Menschen, denen ich nur ganz kurz begegne, denn da gibt es so viele Möglichkeiten, in welche Richtung ihr Verhalten gedeutet werden kann.
Stichworte, die mir durch den Kopf gehen, mitsamt der Assoziationen auf Karteikarten schreiben und alphabetisch archivieren.
Interessante Zeitungsartikel sammeln. Egal ob digital oder aus Zeitungen rausgerissen (Quellenangabe und Datum nicht vergessen).

Zu den „Aaaaah!“-Sätzen gehören diese: „Viele Autoren sind eifrige Zeitungsleser – um Probleme und Tendenzen frühzeitig zu erkennen. Nicht selten lassen sie sich von Zeitungsmeldungen (etwa aus der Rubrik ‚Vermischtes‘) inspirieren. Aber jeder wird dem Thema die eigene Prägung verleihen.“ oder „Ein Autor weiß nicht unbedingt mehr von der Welt als seine Leser – aber er nimmt sich die Zeit, seine Beobachtungen in Worte zu fassen.“

Sie nehmen mir das unangenehme Gefühl, eine nerdige ‚Stalkerin‘ zu sein, die versucht, Mitmenschen die Geheimnisse ihres Handelns abzugucken oder jeden noch so unwichtigen Informationsschnipsel in Messie-Manier zu horten, bis die Festplatte aus allen Nähten platzt. Von nix kommt schließlich nix.

Und dann flutscht es anschließend für eine Weile richtig gut, beim Plotten ebenso wie beim Schreiben. Ich bin motiviert, kann die Müdigkeit, die mit dem latenten Rheumaschub einhergeht, beiseiteschieben und die Kreativität genießen. (Sogar ohne Schuldgefühle gegenüber dem, was jetzt, wo ich schreibe, alles an Hausarbeit liegenbleibt. Verrückt, oder?)

Außerdem habe ich festgestellt: Trotz des großartigen Schreibprogramms Papyrus Autor, das eine Art eierlegende Wollmilchsau für Autoren ist, hilft es mir, zunächst einmal alle Ideen als Mindmap auf einen Zeichenblock zu kritzeln, mir Listen und Tabellen anzulegen, die wichtigsten Eckpunkte und Themenbereiche ganz altmodisch aufzuschreiben.
Vermutlich, weil verschiedene Sinne angesprochen werden: die Filzstifte haben einen spezifischen Duft, das Schreiben damit auf dem Zeichenblock ergibt kratzende Geräusche, ich spüre den Stift in der gesamten Hand und ich sehe in bunten Farben das Wachsen der Inspiration auf dem weißen Papier.
Damit ist – bis auf das Schmecken – der erste Schreibprozess ganzheitlich und findet nicht nur in Kopf und Fingerspitzen statt.

Danach kann es dann am PC losgehen. Wenn ich es jetzt noch schaffe, die kreative Energie so einzusetzen, dass sie etwas regelmäßiger fließt statt im Schwall über mich zu kommen, bin ich einen großen Schritt weiter.

Spielplatz gesucht

Ich bin beim Lesen über eine Aussage gestolpert, die mich seither beschäftigt: „kindgerechten Verkehr zu schaffen statt ein verkehrsgerechtes Kind

Für sie bedeutet die Idee, ein Kind verkehrsgerecht zu erziehen, Kindern Regeln und ein Verhalten beizubringen, damit sie – drastisch formuliert – den Autos nicht in die Quere kommen. Und das bedeute ja auch, dass wir Flächen im öffentlichen Raum vorgeben, wo sie zu spielen haben, sogenannte Spielplätze.
Quelle: Katja Diehl, Raus aus der Autokratie

Spielplätze sind eingezäunte, fest definierte Gelände, die Bau- und Sicherheitsvorschriften genügen müssen, damit Kinder auf ihnen spielen dürfen.
Und häufig genug stehen nicht einmal diese Plätze den Kindern auch uneingeschränkt zur Verfügung: Sandkästen werden (in den letzten Jahren zum Glück weniger) von Hundebesitzern als Hundeklo genutzt. Junkies treffen sich dort nachts und hinterlassen Joints, Spritzen und andere Utensilien.
Jugendliche, die der Beschilderung am Eingang der Spielplätze nach aus der Zielgruppe herausgewachsen sind, lassen durch Vandalismus ihrem Frust darüber freien Lauf.

Quelle: Pixabay

Das Foto des Spielplatzes sieht auf den ersten Blick gepflegt, ansprechend, sauber, bunt … aus.
Auf den zweiten Blick aber sehe ich: Keine Bäume und Sträucher, die natürlichen Schatten spenden. Boden, der aus Fallschutzmatten besteht statt aus Sand, Erde, Wiese. Weder Regenwürmer noch Ameisen oder andere Krabbeltiere. Keine Pfützen oder Wasserspiele. Aber Plastikelemente, die kein besonders ansprechendes haptisches Erlebnis bieten.
Dieser Spielplatz ist bestenfalls elterngerecht. Keine große Gefahr, sich schmutzig oder gar nass zu machen. Keine Grasflecken auf der schicken neuen Hose. Kein Sand, den man vor der Weiterfahrt nach der Rast aus den Schuhen, Socken und Haaren entfernen muss, keine Ameise, die den Arm anpillert und damit ein Kribbeln verursacht.
Keine Bange, solche Spielplätze können Kindern durchaus für eine begrenzte Zeit Unterhaltung und Bewegung bieten und auch wir haben unsere Kinder auf solchen Plätzen spielen lassen, wenn wir eine Pause auf langen Autofahrten machten.

Natürlich mochte ich als Kind Spielplätze, sie zogen mich magisch an (obwohl sie längst nicht so durchorchestriert waren wie heute), vermutlich unter anderem, weil sie bei uns auf dem Land recht selten und spartanisch waren. Ich werde nie das Würfel-Klettergerüst in Bendorf am Rhein auf dem Spielplatz beim Schiffanleger vergessen, in das zu klettern ich meinen Vater nötigte und der prompt darin steckenblieb (obwohl er ein recht schmächtiger Mann war).
Aber meine allerliebsten Spielplätze waren gänzlich andere:

Als in unserer Nachbarschaft ein neues Haus gebaut und für den Keller eine große Grube ausgehoben wurde, war der aus dem Aushub entstandene Lehm- und Erdberg für ein Jahr unser Kilimanjaro, den wir bestiegen und auf dem wir zahllose Abenteuer erlebten. Ebenso konnte dieser Hügel unser Piratenausguck sein und wir planten Kaperfahrten und Enterungen.
Im Bach am Feldrand, an dem wir einen alten Kochtopf fanden, fischten wir winzige Fischchen, Kaulquappen und anderes Getier, um es zu bestaunen. In dem Kochtopf „kochten“ wir Maiseintopf aus jungen Maiskolben, die wir vom Feld mopsten.
Im Wald am Fuß des Jakobsberges nutzen wir einen natürlichen, runden Erdwall als „Festung“, die wir gegen imaginäre Eindringlinge verteidigten und den Bach, der aus dem Berg klares und frisches Wasser sprudeln ließ, stauten wir auf, um Tiere anzulocken und unsere Füße zu kühlen.
In unserem Garten stand ein kleiner, etwas krüppelig gewachsener Kirschbaum mit ein paar fast waagerechten Ästen. Der unterste Ast diente uns als edler Rappe Iltschi, die oberen waren in unserer Phantasie das Tipi, in dem Nto-Tschi wohnte.
Unser größtes Problem bestand darin, jeden Tag neu auszuhandeln, wer Winnetou und wer Old Shatterhand sein durfte. Ja, sorry, so war das halt Mitte der 1970er Jahre. Übrigens: Leute wie Santer (Mario Adorf, unvergessen) oder andere Übeltäter gab es nicht in unseren Spielen. Wir wollten eben lieber Helden (egal welcher Hautfarbe) sein als Schurken.

An dieser Stelle kommt ihr ins Spiel.
Was waren eure Spielplätze, an die ihr euch heute erinnert? Sind es schöne, zwiespältige oder eher traurige Erinnerungen?
Und kennt ihr heute tolle Spielplätze, die bei Kindern aller Altersklassen Phantasie und Neugier anregen? Was macht diese Plätze aus?
Wie beurteilt ihr die Spielplatzsituation im Umfeld eurer Kinder oder Enkel?

Ich freue mich, wenn ihr ebenso viele Ideen, Erinnerungen oder Wünsche beisteuert wie bei der Auto-Umfrage. Weil es mich erstens wirklich interessiert und weil ich zweitens davon ausgehe, dass es uns allen, egal wie alt oder jung wir sind, den Blick weitet. Auf ein Thema, das diesen weiten Blick braucht.

1000 Aufbrüche

Quelle: Netgalley

Auf dem Titelfoto ist noch der „Nominiert“-Sticker. Seit Dienstag allerdings ist dieses Buch mit dem deutschen Sachbuchpreis ausgezeichnet.

Wie der Börsenverein mitteilt, begründet die Jury ihre Entscheidung für Christina Morina so: 
„Demokratien befinden sich auf der ganzen Welt in der Krise, darüber herrscht weitgehende Einigkeit. Die Frage aber, was es eigentlich heißt, Demokratie zu leben, gerät dabei oft in den Hintergrund. Christina Morina nutzt bisher wenig beachtete Quellen, um zu zeigen, wie unterschiedlich sich das Demokratieverständnis in Ost- und Westdeutschland seit den 1980er Jahren entwickelt hat. Ihre methodisch raffinierte und augenöffnende zeitgeschichtliche Analyse auf der Grundlage von Briefen, Petitionen und Flugblättern gibt Bürger:innen der DDR und der BRD eine Stimme. Morina liefert mit diesem Buch überraschende und notwendige Impulse für die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen. Ihr Buch riskiert viel, ohne zu polarisieren – Demokratie ist Prozess, kein Zustand.“

Quelle: https://www.boersenblatt.net/news/boersenverein/deutscher-sachbuchpreis-2024-geht-christina-morina-334281

Christina Morina, Historikerin, forscht seit 2019 an der Universität in Bielefeld. Geboren wurde sie 1976 in Frankfurt/Oder, studiert, geforscht und gelehrt hat sie bereits an verschiedenen internationalen Standorten. Man kann ihr also keinesfalls eine einseitige Sichtweise unterstellen, was dem Thema zugute kommt.

Im Buch beschäftigt sie sich mit der Auswertung vieler Briefe, Flugblätter, Konzeptpapieren und Demozettel von ganz normalen Bürgern in Ost und West aus der Zeit um 1989.
Sie spürt dem unterschiedlichen Aufbruchsgeschehen nach, dem Wunsch nach Beteiligung, Anhörung, einer Identität als Staatsbürger, nach dem Gefühl, wichtig und repräsentiert zu sein. Und sie bezieht die Jahre vor und nach der Wende mit ein.
Sie begibt sich auf die manchmal überraschende, oftmals schmerzhafte Suche danach, wie es soweit kommen konnte, dass gerade jetzt nach der Europawahl beim Blick auf die grafische Darstellung der Stimmenverteilung der Eindruck entstehen könnte, dass die Teilung Deutschlands fortbesteht. Im Gegensatz zu der entweder politikwissenschaftlichen oder soziologischen Untersuchung der Entwicklung in den letzten Jahren konzentriert sie sich auf die historischen Erfahrungen und Voraussetzungen beiderseits der deutsch-deutschen Grenze, die mit der Einheit aufeinanderprallten.

Allerdings führt eben diese Betrachtung privater Korrespondenzen an den jeweiligen Bundespräsidenten auch dazu, die Befindlichkeiten westdeutscher Bürger in den Jahren 1980 bis 1989 nachzuvollziehen, was teilweise ein anderes Licht auf bundesrepublikanische Meinungsvielfalt wirft (die damals offensichtlich ebenso vielfältig wie heute war, aber nicht so öffentlich).

Ein lesenswertes Buch, das viel dazu beitragen kann, die nur anscheinend offensichtlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen einzuordnen und gegenseitiges Verständnis zu wecken. Es lohnt sich definitiv, sich mit diesem Buch ausführlich auseinanderzusetzen.

Bibliographische Angaben: Christina Morina, 1000 Aufbrüche, Siedler Verlag, ISBN 978-3-8275-0132-5, 28,- €

Gefühlte Bedrohung

Symbolbild: Pixabay

Stell dir vor, du sitzt abends in der Dämmerung an der Bushaltestelle. Auf einmal gesellt sich eine Truppe „Halbstarker“ dazu. Jugendliche in dem toxischen Pubertätsalter, in dem sie machomäßig drauf sind, einen auf dicke Hose machen und sich gegenseitig mit schlüpfrigen Bemerkungen aufziehen.

An diesem Punkt teile ich das Szenario:

In der ersten Variante sind das Jungs, vielleicht sind sogar ein paar Mädchen dabei, die in verschiedenen Dialekten deutsch reden. Manche hochdeutsch, andere „kanaksprak“, wieder andere mit osteuropäischem Akzent. Ihr Gehabe ist dir suspekt, aber wenigstens kannst du verbal folgen und erkennen, dass sie innerhalb ihrer Peergroup die Rangfolge zu klären versuchen: Wer ist der Coolste, wer hat die zweideutigsten Sprüche drauf, wer kommt bei den Mädels gut an.
Vorsichtige Entwarnung, du fühlst dich immer noch unwohl, aber es hält sich in Grenzen.

In der zweiten Variante sind es dunkelhäutige und schwarzhaarige junge Männer, die du mangels Erfahrung mit ihrem fremdländischen Aussehen altersmäßig nicht einordnen kannst. Teilweise wirken sie deutlich älter als sie sind, weil dunkel älter macht. (Das bestätigt dir jede Visagistin.)
Sie reden schnell, laut, in einer gutturalen Sprache, die dir noch fremder erscheint als ihr Aussehen. Sie rempeln sich gegenseitig an, schauen zu dir rüber, nicken sich zu, lachen. Reden sie über deine Fuckability?
Wer weiß, vielleicht haben sie dir auch nur ein Kompliment machen wollen, ungeschickt, wie junge Männer das tun, aber du kannst es nicht verstehen.
Du fragst dich: Was wollen die von mir? Und fühlst dich unsicher wie nie.

In der dritten Variante kommt eine Gruppe Mädchen auf dich zu. Kichernd stupsen sie sich gegenseitig an, zicken ein bisschen herum. Du denkst, ach ja, das waren noch Zeiten, mit 13 Jahren war die Welt noch in Ordnung.
Ehe du es dich versiehst, bist du eingekreist, eines der Mädels reißt dir dein Handy aus der Hand, eine andere entwindet dir die Handtasche. Aus dem Augenwinkel siehst du ein Schmetterlingsmesser aufspringen und dann bekommst du nur noch den Schlag von hinten auf den Kopf mit, ehe es dunkel wird.

Alle drei Szenarien sind so, wie sie hier aufgeschrieben sind, erfunden, aber nicht unrealistisch. Denn von allen Varianten habe ich in den letzten Monaten in der Tageszeitung unserer Region gelesen oder sie ähnlich selbst erlebt (die dritte zum Glück nicht).
Ich schätze mal, es überrascht niemanden wirklich, dass ich lange Zeit das dritte Szenario als das unwahrscheinlichste angesehen habe, aber es ist tatsächlich dasjenige, das zuletzt in unserem Landkreis viele Menschen überrascht, aufgewühlt und ratlos zurückgelassen hat:
Mädchen, noch dazu in einem kindlichen Alter, kurz vor der Strafmündigkeit. Wie passt so etwas zu der diffusen Empfindung, die viele Leute schildern, wenn sie von Angsträumen in der Stadt reden? Denn diese diffuse Empfindung bezieht sich meist auf das zweite Szenario.

Pubertierende Jugendliche, die über die Stränge schlagen, das kennen wir alle. Denn es ist eine Phase, die viele von uns zu ihrem persönlichen Erinnerungsschatz zählen. Alles harmlos, das verwächst sich. Aus uns ist ja schließlich auch etwas Anständiges geworden.
Der Unterschied ist, nicht immer, aber meist: Die Kids, die in irgendeiner Weise in unser bekanntes Schema passen, wirken auf uns nicht so bedrohlich wie diejenigen, die sehr anders aussehen und vor allem, die wir nicht verstehen können.
Übrigens ist das ein undankbares Role Model, das bereits unterschiedliche Peer Groups ausfüllen mussten: Vor den arabischen Zuwanderern waren es lange Zeit die russlanddeutschen Spätaussiedler, deren Jugendliche unter Generalverdacht standen. Davor waren es die Skins, die Punks, die „Gammler“, Hippies, Rockabillys …

Jugendkriminalität ist fraglos deprimierend, sie kennzeichnet ein Versagen der gesamten Gesellschaft, junge Leute vor solchen Entwicklungen zu bewahren. Dabei ist es absolut egal, welche Tätergruppen es sind. Jede einzelne Gruppe, jeder Einzeltäter ist zu viel, ganz klar.
Aber wir können es eben nicht allein einer Gesellschaftsgruppe zuordnen, die sowieso schon eine Minderheit darstellt, die mit Akzeptanz zu kämpfen hat, egal wie staatsbürgerlich sich die meisten Mitglieder dieser Gesellschaftsgruppe verhalten.
Und vor allem: längst nicht jede Gruppe von jungen Leuten, die uns unsicher fühlen lässt (vor allem uns Frauen), hat Übles im Sinn.
Der Mechanismus, der uns dazu veranlasst, uns unwohl zu fühlen, ist nachvollziehbar, wie ich oben beschrieben habe, und deswegen ist Sprache ein absolut wichtiger Faktor der Integration.
Aber mal Hand aufs Herz: Nehmen wir an, du lebst im Ausland, an deinem Wohnort gibt es eine kleine, deutschsprachige Community. Wenn ihr unter euch seid, werdet ihr deutsch reden. Weil ihr euch sicher seid, dass ihr in der gewohnten Sprache eure Gefühle am besten ausdrücken könnt, weil es weniger Missverständnisse gibt, weil es ein Stück Heimat in der Ferne ist.

Gegen tatsächliche Jugendkriminalität, egal welcher Ausprägung, habe ich kein Patentrezept. Aber ich möchte ermutigen, immer mal wieder einen Blick auf die andere Perspektive zu werfen.

Dieser Post ist entstanden aus dem Weiterdenken eines Kommentarwechsels mit Sternenkratzer als Reaktion auf den Beitrag vom Montag
Motzen reicht heute nicht.

25 letzte Sommer

Miserable Bildqualität, es ist ein Screenshot der App…

Verkauft hatte ich das Buch schon, ehe ich am letzten Samstag beschloss, mir das Hörbuch bei Netgalley als Rezensionsexemplar herunterzuladen.
Wie auch das Buch hat das Hörbuch einen überschaubaren Umfang und ich hatte kurzfristig wegen Schmerzen und Bewegungsproblemen von Garten- zu Hausarbeit auf der To-Do-Liste umdisponiert. Und damit bin ich auch schon beim Stichwort. Ich zitiere ausnahmsweise einmal den Verlags-Werbetext:

Am Küchentisch eines alten Bauernhauses treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Erzähler dieser Geschichte führt ein gehetztes Leben, das er als endlose To-do-Liste empfindet; Karl hingegen sortiert Tag für Tag Kartoffeln – und denkt nach. Als Karl seinen Gast mit der Tatsache konfrontiert, dass ihm noch ungefähr 25 Sommer bleiben, beginnen beide ein Gespräch über die großen Fragen des Lebens: Warum verbringen wir so viel Zeit mit unserer Arbeit anstatt mit den Menschen und Dingen, die uns wirklich wichtig sind? Woher nehmen wir den Mut, unsere eigenen Träume zu verwirklichen? Und warum beginnt das richtige Leben oft erst, wenn wir erkennen, dass wir nur eines haben?

Stephan Schäfer bringt uns dazu, Antworten auf diese Fragen in uns selbst zu suchen. 25 letzte Sommer ist eine warme, tiefe Erzählung, die uns in unserer Sehnsucht nach einem Leben in Gleichgewicht abholt, uns mitnimmt zu Karl und seinem Hof, zum See und auf den Kartoffelacker – zu einer Geschichte über Freundschaft, über das Zu-viel und Zu-wenig im Leben. Und über die Fragen, auf die wir alle so gerne Antworten finden wollen.

Ich dachte mir also: Hm, das kannst du beim Wäsche zusammenlegen, Staubwischen und Co. ganz gut anhören. Und dann vergehen drei Stunden bei den langweiligen Routinearbeiten wie im Handumdrehen.
Ich muss dazusagen, ich höre mir die Rezensionshörbücher meist auf 1,25-facher Geschwindigkeit an, manchmal sogar auf 1,5. Um einen Überblick zu bekommen, reicht mir das vollkommen aus.

Aber bei diesem Hörbuch schaltete ich nach der ersten Viertelstunde auf die normale Geschwindigkeit um, weil ich merkte: Oh, wow, das ist ein Buch, das ich genießen möchte. Bei dem ich in Gedanken mitjoggen möchte bis zu dem verwunschenen Waldsee; die Überwindung, nackt in einen See zu springen und ganz weit weg von jeglicher Routine und jeglichem Zeitplan das kühle Wasser nachspüren möchte, mich von einem mir völlig fremden Menschen einladen lassen. Einladen zu einem Perspektivwechsel, zu anscheinend unproduktivem Laissez-faire, zu existenziellen Diskussionen über das, was unser Leben ausmacht.

Während ich also Wäsche zusammenlegte und Geschirrtücher bügelte, in der Küche den Abwasch erledigte und schließlich mit viel Ruhe eineinhalb Kilogramm Aprikosen in kleine Würfel schnitt und daraus Marmelade (mit dezenten winzigen Stückchen) kochte, hörte ich zu, dachte über das Gehörte nach, nickte ab und zu zustimmend, fühlte mich geborgen. Und musste bei manchen Passagen auch schon mal feste schlucken, um die Fassung zu bewahren. Die angenehme Stimme des Sprechers trug sicher auch dazu bei.

Langer Rede kurzer Sinn: Für mich eindeutig eines der Bücher des Jahres. Ganz festlegen mag ich mich noch nicht, denn ein halbes Jahr und viele Lese- und Hörexemplare warten entweder schon in der Pipeline oder werden noch folgen, aber es spielt in der Liga ganz oben mit.
Für alle Leser*innen von Paulo Coelho oder John Strelecky, aber auch ein schönes Geschenk für liebe Menschen, denen man dringend einen Ausweg aus irgendwelchen Tretmühlen des Alltages ans Herz legen möchte.

Bibliographische Angaben: Stephan Schäfer, 25 letzte Sommer
Buch: Park x Ullstein Verlag, ISBN 978-3-9881600-9-6, 22,- €
Hörbuch: Verlag Hörbuch Hamburg, ISBN 978-3-8449-3787-9, 14,95 €

Motzen reicht heute nicht

Der „Morgen danach“. Leichte Katerstimmung. Wie konnte das passieren? Trotz aller witzigen Spots wie dem des Kängurus, trotz warnender Songs wie von den Ärzten, trotz aller Instagram-Reels von Prominenten, trotz aller Blogposts von uns hier, trotz aller Warnungen von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Sozialverbänden, Wissenschaftlern, Politikern, trotz aller Aktionen, die von Schulen auf die Beine gestellt wurden, um die jungen Erstwähler*innen für demokratische Prozesse zu sensibilisieren, statt unreflektiert rassistisches DöpDöp-Dingens zu grölen …

Und dann kommt der Augenblick der Erkenntnis, selbst wenn es ungeheuer schmerzt:
Auch das ist ein demokratischer Prozess.

Auch das gehört dazu, zur Kenntnis zu nehmen, dass es einen wachsenden Prozentsatz an Wählern gibt, denen menschenverachtende Politik mindestens gleichgültig ist oder die sie sogar begrüßen.
Dass es Leuten egal ist, ob Wahlversprechen einer bestimmten Partei eingehalten werden können, wenn sie sich andererseits darüber aufregen, dass andere Parteien dieses nicht so ohne weiteres konnten oder wollten.
Dass es nicht wenige gibt, denen ein Denkzettel, den sie anderen verpassen, richtiger erscheint als seriöse, aber anstrengende und kleinteilige Demokratie-Arbeit.

Es heißt aber auch, dass sich Menschen einfache Antworten auf schwierige Fragen wünschen. Dass sie sich vom Leben in einer Zeit der Multikrise überfordert und von den etablierten Antwortsuchern nicht repräsentiert fühlen.
Es heißt, dass diejenigen, die zum Glück gemeinsam immer noch die Mehrheit bilden, jetzt gefordert sind. Gefordert, zusammenzustehen, sich auf ein gemeinsames Arbeiten an Lösungen statt gegenseitige Schuldzuweisungen einzulassen. Den Populismus außen vor zu lassen und die Kraft der demokratischen, wertschätzenden Auseinandersetzung und des ernsthaften Bemühens um einen breiten Konsens in den Vordergrund zu stellen.
An den wichtigen Baustellen in Politik, Gesellschaft, Ökonomie und Ökologie klare, nachvollziehbare Regeln und Entscheidungen zu etablieren, selbst wenn die manchmal wehtun. Um die Sache zu kreisen statt um eigene Befindlichkeiten und Wählerklientel.

Denn auch das ist ein Ergebnis der Wahl: Immer noch will zumindest in Deutschland die absolute Mehrheit der Bevölkerung ein demokratisches System. Ein starkes, anpackendes, nicht zauderndes System. Ein System, in dem um den bestmöglichen Weg diskutiert und gerungen wird. In dem wir nicht paralysiert dastehen wie das Kaninchen vor der Schlange. Die Demokratie mag angeschlagen sein, aber sie liegt nicht am Boden.

Unsere Gesellschaft ist das, was wir alle daraus machen.
Wenn wir sie uns offen, freundlich, tolerant und empathisch wünschen, dann ist jeder einzelne von uns gefordert, diese Werte vorzuleben.
Es wird nicht immer gelingen, es gibt für jeden von uns rote Linien (und die liegen bei jedem an anderer Stelle), aber es ist auch eine Sache der Übung: Nicht immer, aber immer öfter.

Wir haben fertig

geradelt. Also, was das Stadtradeln 2024 im Mühlenkreis angeht.
Am Donnerstag, den 6. Juni kam mittags über Instagram am Nachmittag die Meldung, dass alle Kommunen im Landkreis zusammengerechnet die 1.000.000-km-Marke geknackt haben.

Ostwestfälische Freude: eher innerlich😂.
Nein, im Ernst, an dem Tag war ich einfach froh,
dass ich ein Handtuch eingepackt hatte.

Das Foto ist ein paar Tage eher entstanden, als ich nach der Fahrt bei Regen und Gegenwind gerade im Hof hinter der Buchhandlung geparkt hatte.

Bei den Aufrufen zum Stadtradeln in den sozialen Medien hatte ich irgendwo einen Kommentar gelesen: „Wer eBike fährt, mogelt und macht die ganze Wertung kaputt.“ Kann man so sehen.

Aaaber: von der über 1 Million Kilometer wären ohne eBikes eine ganze Menge weniger zusammengekommen.
Statt typisch deutsch und als Korinthenkacker aufzutreten, kann man sich halt auch einfach darüber freuen, dass durch die Radelei etliche 100 Tonnen CO2 eingespart werden, weniger Autos unterwegs sind, weniger Platz im Straßenverkehr (ruhend und fahrend) beansprucht wird und die Leute, die mitmachen, sich auch noch als Teil eines großen Teams (und damit gut, angespornt und wertgeschätzt) fühlen.
Und Menschen, die mit dem Radfahren ohne Unterstützung aus irgendwelchen Gründen Probleme haben, können mit dem eBike ganz selbstverständlich Teil einer großen Community sein.
Ob die Pumpe nicht so mitspielt, die Knie kaputt sind oder man schlicht und ergreifend aus Altersgründen nicht mehr so viel Kraft und Ausdauer hat: Radfahren macht gute Laune und vor allem unabhängig.

Allein ich habe mit meinen Kilometern, die ich mit dem Rad statt mit dem Auto gefahren bin, ungefähr 25 Kilogramm CO2 vermieden. Unser Team insgesamt über 250 Kilogramm. (Die Dichte des Gases CO2 ist viel geringer als zum Beispiel die Dichte eines Liters Milch. Stelle ich mir also 250 Milchpackungen vor und blähe die dann ziemlich auf, sieht es schon mehr aus. Aber zum Berechnen habe ich an einem Montag in der Frühe echt keine Lust, das kann jeder bei Interesse selbst tun.) Ja, das mag wenig sein, aber es haben sich bisher (das Stadtradeln läuft seit sechs Wochen und der Zeitraum geht noch bis Ende September) knapp 3.000 Kommunen angemeldet mit über 500.000 Radfahrern. Nach diesen sechs Wochen wurden deutschlandweit bereits über 75.000.000 Kilometer gefahren und damit über 12.500 Tonnen CO2 vermieden.

Außerdem hat es sich herausgestellt, dass (Stadt-)Radeln im positiven Sinn ansteckend ist.
Deswegen heute, an einem Montag, statt Motzerei ein großes

🔊Tädääää!🔊👍🤗

Bitte recht freizügig

Na, was denkt ihr denn schon wieder? Also, ich bitte euch!
Nein, ich meine etwas ganz anderes:

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf

Vor 75 Jahren war es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes wichtig, dass unsere Eltern und Großeltern zwischen Bayern und Schleswig-Holstein, zwischen Niedersachsen und dem Saarland sowie überall mittendrin unterwegs sein konnten, ohne sich irgendwo rechtfertigen zu müssen.
Das mag uns heute komisch vorkommen, aber geschichtlich gesehen mussten Reisende auf dem Boden des heutigen Deutschlands über einen sehr viel längeren Zeitraum an den Grenzen zwischen den Hoheitsbereichen der verschiedenen Fürstenhäuser Papiere zeigen und Zölle bezahlen als sie es nicht mehr müssen.
Darüber brauchen wir uns im Allgemeinen keine Gedanken machen.
Mit einer Einschränkung: Während der Pandemie in den Lockdowns durften wir eine Zeitlang unser eigenes Bundesland nur mit Sondergenehmigung (Absatz 2: „zur Bekämpfung von Seuchengefahr“, obwohl die Seuche ja faktisch bereits überall war, vielleicht ist also Schweinegrippe oder Maul- und Klauenseuche ein besserer Vergleich) verlassen. Da wir in dieser Zeit unser Boot kauften, bekamen wir „zwecks Anbahnung eines Geschäftes“ eine solche. Und auch wenn das vergleichsweise harmlos war, kamen wir uns fast ein wenig wie Schmuggler vor.
Klar ist aber: Kein Grundrecht existiert ohne die Möglichkeit, es zugunsten des Schutzes der Allgemeinheit einzuschränken.

Seit Januar 2005 dürfen wir EU-Bürger uns zudem im ganzen Gebiet der europäischen Union ebensolcher Freizügigkeit bedienen. Wer also das Gebiet der EU nicht verlassen will, benötigt keinen Reisepass mehr, kein Visum für den Auslandsaufenthalt und in vielen Ländern muss man auch seit 2001 kein Bargeld mehr umtauschen und den ganzen Urlaub über um- und nachrechnen, wieviel Geld man schon ausgegeben hat.
Wie bequem das ist, haben viele Menschen erst bemerkt, als Großbritannien aus der EU ausgetreten war und Urlauber überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hatten, dass sie plötzlich wieder einen gültigen Pass brauchten. Die Bürgerämter hatten eine Weile sehr viel damit zu tun, kurzfristig provisorische Reisepässe auszustellen. Vor allem für junge Leute, die aus eigener Erinnerung nie zuvor so viel Bürokratie vor Reiseantritt erlebt hatten.

Auch deswegen bleiben wir nicht bei Deutschland stehen, sondern sind Mitglied der großen, bunten und sicher mitunter schwierigen europäischen Familie. Merkwürdige Onkel und Tanten, schrullige Großeltern oder vielleicht sogar kleinkriminelle Cousins gibt es in fast jeder Sippe, also warum sollte es in Europa anders sein?
Wir Deutschen erwarten ja auch, dass wir mit unserem etwas pedantisch und erbsenzählerisch veranlagten Wesen akzeptiert werden. Dass wir aus historisch gewachsenen Gründen mitunter zaudern, statt forsch voranzugehen. Dass wir an anderer Stelle dafür von den anderen mehr Tempo fordern, weil wir international anerkannte Forschungsinstitute (mitsamt internationalen Forschern) haben, die ganz genau die Folgen unseres Handelns auf die Umwelt berechnen. Dass die Überlegenheit deutscher DIN-Normung anerkannt wird.

Wenn wir jedem Mitglied die Möglichkeit geben, mit seinen Fähigkeiten zu glänzen, statt einander die (egal ob irische, dänische oder französische) Butter vom Brot zu nehmen, sind wir ganz schön stark und breit aufgestellt.
Wenn wir uns auf das verständigen, was wir gemeinsam stemmen können, statt vor allem auf Details zu achten, die uns unterscheiden, dann können wir eine ganze Menge schaffen. In Deutschland und in Europa.

Der nächste Redner ist eine Dame

Quelle: Netgalley.de

Nach dem Buch Die Erfindung der Bundesrepublik, das ich hier bereits vorgestellt habe, ist dieses nun das zweite, das sich mit den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland befasst. Es war alles andere als einfach, Lehren aus der NS-Vergangenheit, gute Ansätze der Weimarer (und noch früherer) Verfassungen, die Forderungen der Alliierten und die eigenen Ansprüche der Nachkriegspolitiker unter einen Hut zu bekommen.
Das betonen übrigens beide Titel, vielleicht, um einer verklärenden Nostalgie des „Früher war alles besser“ gleich im Keim entgegenzuwirken.

Unmittelbar nach dem Krieg sind vielfach die Frauen das starke Geschlecht. Sie müssen das Land aufrecht erhalten, die Versorgung, den Wiederaufbau, die anfallenden Arbeiten, da viele Männer entweder noch in Gefangenschaft sind oder im Krieg gefallen waren. Sie ziehen ihre Kinder auf, kümmern sich um Alte, Kranke und Versehrte, sind zahlenmäßig den Männern überlegen, aber sie werden auch häufig Opfer von Vergewaltigungen und Unterdrückung.
Sie gründen Ausschüsse und organisieren den Alltag: gründen Suppenküchen und Kleiderkammern, leisten medizinische und seelsorgerliche Hilfe.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf

Als der parlamentarische Rat und später der erste Bundestag in Kraft treten, sind sie allerdings heillos unterrepräsentiert. Die Männer der unterschiedlichen Parteien sehen nicht so recht ein, warum Frauen beteiligt werden sollen.
Noch viele Jahrzehnte später sollte ein SPD-Bundeskanzler alles, was mit sozialen (Frauen-) Themen zu tun hat, als Gedöns bezeichnen. Jedenfalls war die Klärung des Artikels 3 des Grundgesetzes, der im Lauf der ersten Legislaturperiode mit Leben gefüllt werden sollte, das erste bundesweite Projekt, das es erst nach mehreren Anläufen zum Ende der zweiten Legislaturperiode schaffte, auch nur annähernd realisiert zu werden. Dass damit aber die eigentliche Forderung des Artikels 3, Absatz 2 »Männer und
Frauen sind gleichberechtigt« erfüllt ist, ist utopisch. Daran arbeiten wir heute noch.

Im Buch werden diese Tatsachen ebenso ausgebreitet wie anschließend die ersten Parlamentarierinnen in Kurzbiographien vorgestellt werden. Fünf von ihnen sogar von Literatinnen verschiedener Altersgruppen und Prägungen auf besonders poetische Art. Starke, aber nicht unverletzliche Frauen, die ihren Weg auch gegen Widerstände und persönliche Schicksalsschläge nie aufgaben. Die allen Widrigkeiten auf ganz unterschiedliche, aber beharrliche Art trotzten und der jungen Bundesrepublik mit viel Energie und Ausdauer (und oft auch einem „dicken Fell“) dienten.

Ein lesens- und bedenkenswertes Buch für alle, die sich ernsthaft mit der Geschichte unseres Landes auseinandersetzen, aber auch ein Lehrstück für die Menschen, die sich frühere Verhältnisse zurückwünschen.
Dazu noch sehr angenehm und flüssig lesbar, finde ich. Und eine Lektüre, die gerade in der derzeitigen deutschen und europäischen Situation angebracht ist.

Bibliographische Angaben: Hrsg. Der deutsche Bundestag (Redaktion: Natalie Weis), Der nächste Redner ist eine Dame, Ch. Links Verlag, ISBN 978-3-96289-210-4, 25,- €

Nebel über Rønne

Auch über den ersten Solo-Krimi des Autors Michael Kobr hatte ich letztes Jahr schon berichtet:
https://annuschkasnorthernstar.blog/2023/08/30/druckfrisch-sonne-uber-gudhjem/

Dieses Jahr nun der zweite Fall des Kommissars Lennart Ipsen auf Bornholm.
Nebenbei : schon witzig, neben diesem Buch, das ich gelesen habe, spielen auch in einem Hörbuch-Krimi, den ich zurzeit beim Kochen, Putzen, Bügeln … höre, eine sturmumtoste Insel, regionales Essen, viel Nebel und noch mehr Kaffee wichtige Rollen.
Der eine oder die andere von euch ahnt vielleicht, was es sein könnte, das ich mir gerade von Christian Berkel gelesen auf die Ohren rieseln lasse, alle anderen werden es noch diesen Monat hier lesen können.

An einem nebligen Abend landet ein Privatjet auf dem Flughafen von Rønne. Soweit, so unspektakulär. Doch kurz nach der Landung sind alle Insassen tot. Die drei Toten hatten im Leben relativ wenig miteinander zu tun, außer der Mitgliedschaft oder Nähe zu einer philantrophischen Gesellschaft.
Lennart Ipsen und seine Mitarbeiterinnen Britta und Tao ermitteln unter Zeitdruck, da eine Intervention der Polizeikollegen aus Kopenhagen droht. Das gilt es zu vermeiden, denn die drei möchten nicht als unfähige Provinzbullen dastehen. Und dann mischt auch noch Lennarts Amtsvorgänger mit und sein Vater buhlt um seine Aufmerksamkeit …

Außer dem hyggeligen Grundgefühl gefällt mir das Personal der Geschichte. Vor allem die mit einigen interessanten Schrullen (die Loriot alle Ehre machen) ausgestatteten Senioren haben es mir in diesem Band angetan. Die endgültige Aufklärung des Falles erfolgte am Ende in halsbrecherischem Tempo, da hätte ich mir etwas mehr dänische Gemütlichkeit gewünscht, aber was will man machen, wenn die Rijkspolizei mit Übernahme droht? Dann muss es schon mal schnell gehen🤷‍♀️.
Ein schöner Zeitvertreib ist das Buch allemal, gerade zur einsetzenden Urlaubssaison: Also ab in den Koffer damit, wenn ihr moderate Spannung, nicht allzu viel Blut und Grausamkeit, aber viel Lokalkolorit mögt.

Bibliographische Angaben: Michael Kobr, Nebel über Rønne, Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-31690-8, 24,- €

Danke, Herr Nagelsmann

Und natürlich vielen Dank, Herr Awounou, für die schmerzhafte, aber ungemein wichtige Sendung.

https://www.ardmediathek.de/video/sportschau/einigkeit-und-recht-und-vielfalt-die-nationalmannschaft-zwischen-rassismus-und-identifikation/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3Nwb3J0c2NoYXUvMjAyNC0wNi0wNV8yMS0zMC1NRVNa

Wenn sich Julian Nagelsmann nicht so fürchterlich über eine Umfrage zur Nationalmannschaft aufgeregt hätte, wäre ich auf diese Doku-Sendung nicht aufmerksam geworden. Nach wie vor kann ich die Kritik an der Umfrage teilweise nachvollziehen, aber das Hauptproblem scheint mir nicht die Umfrage zu sein, sondern die Einstellung, die dadurch bestätigt wurde. Und daher hat die repräsentative Umfrage einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, aus einem Gefühl und ein paar Äußerungen von Einzelpersonen eine valide Feststellung zu machen.

Ich habe ein Wechselbad der Gefühle mitgemacht, mich fremdgeschämt und am Ende gefragt, warum es selbst in einem Trump-geprägten Amerika immer noch möglich ist, dass sich die Nachfahren von Einwanderern gleichermaßen als patriotische US-Amerikaner fühlen können wie sie Traditionen aus den Herkunftsländern ihrer Großeltern am Leben erhalten, aber hier erklärt jemand „weiße Menschen können doch auch Fußball spielen, Sie können mit Ihrer Hautfarbe doch nicht deutsch sein.“ Oder die bittere Erkenntnis des Moderators: „Wenn ein Deutscher ohne Migrationshintergrund nicht leistet, dann ist er immer noch deutsch, aber Menschen mit Migrationshintergrund sind dann oft nicht mehr deutsch.“
(Abseits vom eigentlichen Thema: Profi-Fußballerinnen haben kein besonders großes Problem, sich zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen, aber bei Männern, die anders als heteronormativ sind, wird es ebenfalls nicht ohne weiteres hingenommen. Haben wir vielleicht ein größeres Problem mit toxischer Männlichkeit, als wir es uns eingestehen? Und gibt es da Schnittmengen zur politischen Einstellung? Ich fürchte, ja.)

Bitte, schaut euch die Doku an, redet darüber, teilt sie. Und geht am Sonntag wählen. Ich erwähnte es bereits und werde nicht müde, es weiter zu tun: Überlasst Europa nicht den Nationalisten, Rassisten und geistigen Brandstiftern.

5. Juni: Tag der Umwelt

Eben im Netz entdeckt (eigentlich habe ich was ganz anderes gesucht, aber manchmal ist das ja so):

https://www.bmuv.de/buergerservice/veranstaltungen/kalender/tag-der-umwelt

Aber auch diesen Beitrag habe ich heute gelesen, der mit einer bitteren Erkenntnis endet:

https://www.rnd.de/politik/hochwasser-sind-die-rufe-nach-mehr-schutz-nicht-pure-heuchelei-AMAJ35R4KVGIFCFLPVMYCHAXUQ.html

Wenn man beides gelesen hat, bleibt nur noch, hilflos mit den Schultern zu zucken. Oder die Ärmel hochzukrempeln und selbst anzupacken, wenn manche Politiker so ignorant gegenüber dem, was gerade tausende Menschen existentiell betrifft, nur auf die nächsten Wahlkampfversprechen schielen…

Die Weser durchschneidet die Porta Westfalica

Mitte August 2022, Pegel Porta bei 97 cm.
1. Januar 2024, andere Perspektive (vom Willem), derselbe Flussabschnitt,
den Pegelstand habe ich mir nicht notiert. Über 650 cm auf jeden Fall…
Und nochmal die Weser bei Porta, auch etwas erhöht, ungefähr bei 275 cm

Das letzte Foto zierte den Beitrag Zwischenbilanz II vom Montag. Etwas höher als normal (der gleichwertige, also „normale“ Wasserstand ist dort 152 cm), aber im Rahmen des Üblichen.
Nach dem heftigen Hochwasser um den Jahreswechsel musste der Schiffsanleger vom ersten Bild komplett entfernt werden, weil seine Dalben sich durch die Macht des Wassers total verzogen hatten. Bei diesem Hochwasser musste die Stadt Minden sogar die Mehrzahl der Brunnen abschalten, weil verunreinigtes Wasser hineingeraten war. Diese Brunnen liegen meist in der Nähe der Weser. Viele Mindener mussten einige Wochen ihr Trinkwasser abkochen, also nicht dramatisch, nur lästig, die Folge.

Wenn ich heute die Berichte aus Süddeutschland sehe, dazu die Erinnerungen an die Ahrtal-Flut und noch weiter zurück die Flutkatastrophen an Elbe und Oder vor 11/12 Jahren, dann kann ich nur dankbar sein, wie glimpflich hier alles abgelaufen ist. Und den Betroffenen und Helfern viel Mut, Kraft und gutes Gelingen wünschen. (Fünf Wasserrettungszüge aus OWL sind auch in Bayern, wie gut, dass die an Himmelfahrt noch eine großangelegte Übung absolviert hatten.)
Aber selbst unsere beschauliche Weser kann uns innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes ganz unterschiedliche Zustände zeigen, wie die Fotos verdeutlichen.

Und ich frage mich: Ist es nicht wirklich höchste Zeit, dass wir uns der Natur wieder mehr annähern, statt sie unseren Zwecken anzupassen, in Korsette zu zwängen, ihr den Raum zur Ausbreitung nehmen, sie versiegeln?
Langsam sollten wir wissen, dass wir sie nicht „besiegen“ können. Unsere Vorfahren waren sich dessen besser bewusst.

Europa positiv

Am Sonntag ist Europawahl. Und nie war es so wichtig, sich an dieser Wahl zu beteiligen wie in diesem Jahr.
Leider ist unser Blick auf Europa geprägt von Bürokratie, dem Krümmungsgrad von Gurken (gilt übrigens schon lange nicht mehr), gegenseitiger Blockade oder anderen Details, die nicht wirklich sexy sind.

Aber die positiven Effekte der europäischen Zusammenarbeit sind nicht nur eine in weiten Teilen gemeinsame Währung und das Reisen ohne Grenzkontrollen. Ein weiter Blick über die Ländergrenzen kann auch auf eher abstrakte Weise den Horizont weiten, nämlich durch gemeinsames Arbeiten und Teilen von innovativen Ideen und unkonventionellen Konzepten.
Schaut mal hier:

https://www.zdf.de/gesellschaft/plan-b/plan-b-da-geht-was-europa-102.html

Es lohnt sich definitiv, Europa eine erneute Chance zu geben. Vorzugsweise ohne allzuviele Rechtspopulisten. Und ohne Gewalt, egal welcher Richtung. Denn es gibt keine gerechte Gewalt, wer sie als legitimes Mittel ansieht, disqualifiziert sich selbst.

Zwischenbilanz II

Nach zwei Wochen Stadtradeln sieht meine persönliche Erfahrung überwiegend positiv aus. Mein Weg zur Arbeit morgens bietet mir ein paar sehr erfreuliche Ausblicke. Jedenfalls, wenn ich nicht den kürzesten Weg, sondern den schöneren nehme. Dann muss ich nicht eine für Radfahrer entweder umständliche (Fußgängerüberwege) oder gefahrenbehaftete (wie in der Fahrradschulung vor 46 Jahren gelernt als Linksabbiegerin auf der korrekten Fahrbahn zwischen Bussen, Autos und Transportern) Kreuzung überwinden, sondern kann unter Umständen junge Feldhasen oder Fasane beobachten.

Die Porta Westfalica im Frühnebel ist atmosphärisch sehr schön. Vor allem an Sonntagen auch ausgesprochen ruhig. Und dann kann es auch passieren, dass ich ganz allein auf dem Tunnelrücken des Weserauentunnels den Weserradweg entlangfahre und auf einmal eine Bekannte treffe, die einen Morgenspaziergang mit ihren Hunden macht. Nette Unterhaltung inbegriffen, denn sie hat Zeit. Sie wird den Tag mit den Hunden auswärts verbringen, da ihr Mann Honig schleudert und dort keine Hundehaare oder so hineingelangen sollen.

Morgens früh ist sogar noch am Barkhauser Fähranleger Ruhe. Keine Kanuten, die Boote ein- oder aussetzen wollen, keine Inlineskater, die mit ausholenden Bewegungen so unverschämt wach wirken und auch noch den Weg in seiner ganzen Breite von ungefähr drei Metern benötigen. Keine Radfahrer, die an der Blue Bar einkehren und keine Kinder, die auf dem Spielplatz herumtoben. Ich kann also unbekümmert fotografieren, ohne auf die Rechte anderer am eigenen Bild Rücksicht nehmen zu müssen. Die Fitnessgeräte (rechtes Foto) sind neu, die habe ich letztes Jahr noch nicht dort gesehen. Demnächst werde ich sie bestimmt auch mal ausprobieren…

Letzte Woche hatte ich auch Gelegenheit, meine Regenkleidung auf Dichtigkeit zu testen. Ich habe die schon ein paar Jahre, aber sowohl Hose als auch Jacke erfüllen immer noch brav ihren Zweck. Und meine Gummistiefeletten aus Heiligenhafen halten auch die Füße trocken. Zur Vorsicht hatte ich in der Packtasche ein trockenes Sweatshirt und ein Handtuch, beides brauchte ich nicht.
Durch meine Fahrten nach Bad Oeynhausen und zurück habe ich ein paar neue Anregungen, wo es mal auf einer sonntäglichen Radtour eine Einkehr geben könnte.

Auf der Negativseite steht eigentlich nur eine Kleinigkeit, die nicht mal ursächlich mit dem Radfahren zu tun haben muss: Das linke Knie zickt herum, aber mein Hausarzt hatte mich schon vorgewarnt, der Meniskus könne sich jederzeit mal wieder melden, dass er auch noch da ist. Na dann.

Luxusprobleme😛

Es gilt, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Und da diese Geschichte ja nun mal eine personelle Besetzung braucht, bin ich auf der Suche nach Namen für eine mittelalte männliche und eine jüngere weibliche Person. Und schon beginnt der Stress.

Es ist beileibe nicht so, dass es keine Möglichkeit gibt, an passende Namen zu kommen, gibt es doch im weltweiten Zwischennetz äußerst hilfreiche Datenbanken, die mitsamt statistischer Häufigkeit für jeden Jahrgang des 20. Jahrhunderts wunderbare Ranglisten preisgeben.

Auswahl ist also da. Aber auch das Kopfkino, das vermaledeite. Denn zu nicht wenigen Namen fallen mir Träger ein.
Also, ein Björn scheidet schon mal aus. Das geht zurzeit überhaupt nicht (Donald oder Victor auch nicht). Alle Männernamen, die familiär oder im näheren Bekanntenkreis besetzt sind, kommen ebenfalls nicht in die engere Wahl. Bingo, Ingo? Nö, der Spruch ist so abgenudelt und überhaupt sehe ich dann immer die Nase von Ingolf Lück vor meinem inneren Auge.
Andere Namen, wie Olaf, bieten mir zum Glück alternativ zu anstrengenden auch nette Assoziationen: Da denke ich an einen knuddeligen, sehr sympathischen Schneemann mit dem Hang zum Dahinschmelzen🥰.
Ebenso gehen mir etliche Typen durch den Kopf, die in meiner Schule waren und die ich aus unterschiedlichen Gründen auch nicht in einer meiner Geschichten verewigen möchte. Und Exfreunde.
Und dann gibt es ja noch diese Kinderwitze wie „Alle Kinder bekommen ein Eis, nur nicht Heinz, der kriegt keins.“ (Um nur einen der weniger makabren zu nennen.)
Boah, haben andere Autorinnen ähnliche Probleme oder mache nur ich mir das Leben so schwer? Vielleicht sollte ich ganz einfach die Wortwolke ausdrucken, an die Pinnwand heften und mit einem Dartspfeil und geschlossenen Augen mein Glück versuchen…

Was ist das eigentlich: Volk?

Präambel
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit
und Freiheit Deutschlands vollendet.
Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.

Präambel des deutschen Grundgesetzes:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf

Das gesamte Deutsche Volk. Wow. Klingt zunächst mal gewaltig, die Präambel, und sie ist es auch.
Aber gleichzeitig ist sie etwas schwammig: „Die Deutschen in den Ländern…“, wer ist das?
Sind das die gern bemühten „Biodeutschen“, gehören dazu die eingebürgerten Migranten, umfasst das auch die Menschen aus anderen EU-Ländern, die ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft oder vorübergehend in unserem Land haben?
Alle gehören dazu. Und vermutlich auch noch etliche Gruppierungen, die ich gerade selbst nicht auf dem Schirm habe.

Als das Grundgesetz erdacht und niedergeschrieben wurde, hatte das von den Alliierten besetzte Land nach einer Zeit des unermesslichen Leides, das durch Angehörige des deutschen Volkes über das eigene und andere Länder gebracht worden war, gerade erst begonnen, an seiner Rehabilitierung zu arbeiten. Deutschland war bemüht, sich als ehrliches und ehrbares Mitglied der internationalen Gemeinschaft wieder einzufügen. Vermutlich war es damals eine sehr ungewöhnliche Vorstellung, dass Menschen aus anderen Ländern jemals wieder in unser Land kommen könnten, um hier ihr wirtschaftliches Auskommen und damit auch eine neue, zweite Heimat oder gar eine sichere Zuflucht vor Verfolgung zu finden.

Quelle: erstes Suchergebnis bei https://www.ecosia.org/search?q=volk%20definition&addon=opensearch

Das ist ja schon recht viel für den Anfang.
Interessant finde ich einen Satz aus der Wikipedia: Eine verbindliche Definition gibt es nicht.
Den möchte ich gern mal so stehen lassen. Denn Volk ist meiner Meinung nach das, was wir alle daraus machen.
Aber eines ist es sicher nicht: An einer ausschließenden Gesinnung und einem rückwärtsgewandten Menschen- und Familienbild patriarchaler Prägung festgemacht.

Quelle: facebook.de/hirschhausen

Mobilität – noch mehr Gedanken dazu

Den Winter über bin ich mit meinem D-Ticket Bus gefahren. Morgens um 9:30 Uhr saßen außer mir selten zwei bis drei Senioren, regelmäßig ein paar ukrainische Frauen und täglich etliche dem Aussehen nach aus dem nahen Osten stammende Männer und Frauen aller Altersklassen. Und sie taten im Bus nichts anderes als ich auch: Auf dem Handy irgendwas lesen, gelangweilt aus dem Fenster gucken, ein bisschen vor sich hin dösen…
Mittags waren es dann vor allem Schülerinnen und Schüler vom I-Dötz bis zur Abiturientin, die für volle Busse sorgten.

Wo würden wir diese Menschen, die in Deutschland noch nicht so sattelfest sind oder das erforderliche Alter erreicht haben, dass sie allein im Auto durch die Gegend fahren, sonst sehen und vielleicht sogar mit ihnen ins Gespräch kommen können? Auf den Plätzen der Städte und Dörfer (dummerweise zu häufig mit Autos vollgestellt), auf Spiel- oder Bolzplätzen (dort, wo es denn noch welche gibt), in Straßencafés („Außenraumnutzungsgebühr“ für Gastronomen) oder beim Boule auf dem entsprechenden Feld. Boule ist übrigens auch bei uns in den letzten Jahren populär geworden, aber im Gegensatz zu Frankreich sind bei uns die Plätze nicht in den Mittelpunkten der Ortschaften angelegt worden, sondern an die Ränder verlagert. Bei uns im Ort an der Gesamtschule, direkt neben dem DFB-Minifußballfeld und dem Sportplatz. In Minden an der Weserpromenade, wo auch ansonsten alle möglichen Sportarten angesiedelt sind. Beides nett gelegen und auch nachvollziehbar. Aber es stellt auch klar, dass bei uns Boule eher sportlich gesehen wird, in Frankreich dagegen als soziales Miteinander und Ort des Austausches.

Unser Fokus auf den Individualverkehr könnte auch einen Beitrag zu den allseits beklagten Spaltungstendenzen leisten. Denn wir begegnen uns nicht mehr zufällig beim Weg zum Bäcker oder beim Spaziergang, sondern in unseren jeweiligen Autos, heben noch schnell die Hand zum Gruß, wenn wir es schaffen. Wir stehen hintereinander an der roten Ampel, winken dem Hintermann im Rückspiegel zu, um uns dann wieder nach vorne zu konzentrieren. Nicht einmal für ein „Wie geht’s?“ ist hier Zeit und Gelegenheit. Geschweige denn für einen netten Austausch unterschiedlicher Meinungen.
Mit Menschen, die nicht unserem eigenen Milieu entstammen, wird es aus Mangel an Übung so ganz und gar unmöglich, auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Auch unsere Vereinzelung und Selbstzentrierung findet im Auto Vollendung: Allein die Anzahl der Menschen, die an der Ampel oder im Stau selbstvergessen in der Nase popeln (und das zutage geförderte Produkt mitunter dann hingebungsvoll wegmümmeln🤢), an den Nägeln kauen oder ihre Zigarettenkippen aus dem Fenster schnipsen, finde ich bemerkenswert.
Auch vor der Erfindung von Mobiltelefonen und Freisprechanlagen sah man Menschen im Auto die Lippen bewegen. Und ja, ich oute mich an dieser Stelle selbst als engagierte und lautstarke Sängerin, wenn ich allein im Auto sitze und die Fenster geschlossen sind😅. Ach ja, und erstaunlicherweise denken ziemlich viele Menschen, dass es nicht auffällt, wenn sie ihr Handy am Ohr haben statt die Freisprecheinrichtung zu nutzen.

Jedenfalls empfinde ich schon lange keine „Freude am Fahren“ mehr, wenn ich mal wieder im Stau auf der B482 stehe, weil die A2 nach einem LKW-Unfall gesperrt ist oder ich mich auf dem Weg zur Therapiesitzung der Tochter durch den Berufsverkehr quälen muss. Und das liegt nicht daran, dass ich das verkehrte Fabrikat fahre.
Die entspannteste Autofahrt der letzten Jahre hatte ich als Beifahrerin im Februar 2021, als mein Mann und ich mit einer Sondergenehmigung versehen (wir mussten mehrere Bundesländer durchqueren) mitten im Lockdown das erste Mal nach Heiligenhafen fuhren, um uns die Sterntaler anzusehen.
Leere Autobahnen , freie Raststätten und keine Idioten, die mit Lichthupe hinter uns klemmten, weil wir ihnen zu langsam überholten. Denn Überholen war schlichtweg nicht notwendig. Wen denn auch? Höchstens ab und zu einen Lebensmittel- oder Posttruck.

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