An den beiden letzten Tagen hast du einen fast schon intimen Einblick in unser Weihnachtsfest bekommen. Und du weißt jetzt, dass es für mich wichtigeres gibt als ein Weihnachtshaus aus einem Einrichtungs-Hochglanzmagazin. Trotzdem gibt es keinerlei Grund, auf Putzorgien zu verzichten, wenn du, ja genau du, dich damit wohlfühlst.
Auf Weihnachten vorbereiten kann durchaus unterschiedlich aussehen. Ob man nun die Weihnachtsmärkte der Region unsicher macht in den Wochen des Advent oder ob man jeden Tag den Backofen anschmeißt. Ob man singt oder nicht und wenn ja, lieber Bing Crosby oder Mariah Carey, Paul Gerhardt, Rolf Zuckowski oder Helene Fischer, oder ob man dem ganzen Kitsch und Kommerz durch Flucht auf die Kanaren ganz entgeht, das ist vollkommen zweitrangig.
Die Hauptsache ist, dass es passt. Und dass man sich zumindest in der Familie einigermaßen einig ist, das ist schon sinnvoll. Ansonsten kann man getrost darauf verzichten, sich von selbsternannten Kulturhütern des christlichen Weihnachtsfestes belehren zu lassen, wie man gefälligst Weihnachten zu feiern hat.
Ich persönlich kann nur jedem herzlich wünschen, dass Weihnachten eine friedvolle und schöne Zeit ist. Aber mir ist natürlich bewusst, dass aus den unterschiedlichsten Gründen auch dieses „Fest der Liebe und der Familie“ für Menschen traumatisch oder unerträglich sein kann.
Für mich ist es tröstlich, dass der eigentliche Grund von Weihnachten, die Hauptperson, das Geburtstagskind sozusagen, in mein Leben hineinkommt. Egal wie (un-)aufgeräumt meine Wohnung, mein Herz, mein Leben ist. Egal, ob ich der reichste Mensch der Welt oder ein armer Schlucker bin. Egal, ob ich der Meinung bin, seine Liebe verdient zu haben oder nicht. Egal, ob ich es in meiner aktuellen Situation spüre oder mich total verlassen fühle. Das ist die wirklich wichtige Botschaft des Kindes in der Krippe.
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, beim Essen. Gemütlich miteinander essen und dabei erzählen, das ist etwas, worauf ich mich schon sehr freue.
Und auf die Gottesdienste, auch wenn es für die Mitarbeitenden immer etwas von Fließbandarbeit hat. In anderen, friedlicheren Jahren nannte ich es schon mal scherzhaft „Großkampftag“, ein Ausdruck, der mir im Jahr 2022 eher Bauchschmerzen verursacht. Allein bei uns in der Kirche finden drei Gottesdienste am Heiligabend statt, und jeder einzelne davon hat etwas, das mir Gänsehaut den Rücken runterrieseln lässt. Zunächst ein Familiengottesdienst mit Weihnachtsmusical. Bis 2019 war ich immer in die Vorbereitungen involviert, 2020 fiel aus und 2021 war es doch noch etwas abgespeckt alles. Dieses Jahr kann ich es einfach genießen: Die summende Atmosphäre, die aufgeregten Kinder (Chor) und Konfis (Schauspiel) wuseln überall herum, die Eltern und Angehörigen suchen Plätze, von denen aus sie alles im Blick haben… Und das unnachahmliche Beben in meinem Inneren, wenn dann das finale Oh du fröhliche gesungen wird.
Dann noch einmal Hektik, übriggebliebene Liederzettel müssen eingesammelt werden, einmal die Kirche lüften, denn nur eine Stunde nach Ende des ersten wird der zweite, der Festgottesdienst gefeiert. Neue Liederzettel, ein bisschen Platzanweiser spielen für Auswärtige oder Gehandicapte („Wo können wir mit dem Rollstuhl hin, ohne zu stören, aber trotzdem etwas sehen?“), während ein paar Männer noch die Bühne abbauen. Eventuell Lektorendienst, je nachdem, wer gerade dran ist. Und wieder der Kloß im Hals, wieder bei Oh du fröhliche. Same procedure as last hour.
Nach dem Aufräumen der Kirche nach Hause, zu Kartoffelsalat und Beilage. Bescherung würfeln: wer den höchsten Wurf hat, darf zuerst auspacken. Über den Hund lachen, der sich mal wieder herrlich dusselig dabei anstellt, seinen Markknochen aus dem Packpapier zu befreien. Und aufpassen, dass man so satt und zufrieden nicht einschläft, denn:
Um 22 Uhr ist Spätgottesdienst. Da trifft sich meist eine kleinere Gruppe, oft diejenigen, die in den ersten Gottesdiensten irgendwie beteiligt waren. Jetzt komme ich endgültig zur Ruhe, kann alles noch einmal so richtig genießen, jetzt ist Weihnachten. Und ich bekomme die dritte Gänsehaut des Tages, und zwar beim … ja, genau: Oh du fröhliche😊
Noch drei Tage bis Heiligabend. Und ich stelle die provokante Frage: Putzt du noch oder freust du dich schon?
Nein, ich bin kein Messie, und ich kann auch so richtig heftig putzen, wenn mich der Rausch packt. Trotzdem habe ich in den letzten Jahren die vorweihnachtliche Wohnungsputz-Orgie abgeschafft. 2020, im ersten Coronajahr, blieb man sowieso im engsten Kreis und im heimischen Wohnzimmer, außerdem freute ich mich über wieder funktionierende Beine, alles andere war mir fast egal. 2021 war Corona zwar schon fast Routine, aber nach der Schulter-OP zickte der rechte, der Putz-Arm, immer noch herum. Und in diesem Jahr gibt es ganz andere Themen, die wichtig sind: Arzttermine mit Enkelkind, bei denen wir Großeltern die Fahrdienste übernehmen. Bücher (und leckere Pralinen) verkaufen, was mir viel mehr Spaß macht als den Feudel zu schwingen. Und nicht zuletzt auch noch Hände, die in den letzten Wochen die Nässe und Kälte nicht mochten. Draußen trage ich unterhalb von 10 Grad plus konsequent Handschuhe, warm gefüttert. Drinnen konzentriere ich mich darauf, keine Knoten in die Finger zu bekommen, wenn ich filigrane Dinge mache, zum Beispiel Geschenke verpacken, Nähnadel einfädeln oder auch Babyhandschuhe stricken. Rheuma ist eben nur so mittelmäßig sexy.
Die Prioritäten ändern sich. Panta rhei, alles fließt. Und das darf auch so sein. Ich werde dafür sorgen, dass alles einigermaßen ordentlich aussieht, den Baum aufstellen und schmücken (der im Übrigen noch nie so klein war wie dieses Jahr) und mit Kathi einen Menüplan aufstellen, der sowohl Vegetarier als auch Fleischesser berücksichtigt und vor allem einen leckeren Nachtisch beinhaltet.
War Maria Kapitalismuskritikerin und was hatte sie mit Ehegattensplitting zu tun? Wie wird die Ankunft Jesu auf dem Navi angezeigt? Und ist Weihnachten in einem konsequent politisch korrekten Zusammenhang eigentlich überhaupt noch vertretbar?
Diesen und anderen Fragen geht Andreas Malessa auf den Grund. Ich bin bei der Suche nach ungewöhnlichen Weihnachtsgeschichten auf das Buch gestoßen. Auf der Rückseite des Buches steht Humor mit Tiefgang und das trifft es sehr gut. Was ist es denn eigentlich, das Weihnachten zum beliebtesten Familienfest, aber auch zur wahlweise scheidungsträchtigsten oder einsamsten Zeit im Jahr macht?
Unsere (zu) hohen Erwartungen etwas runterschrauben, mit einem Augenzwinkern an die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten erinnern, unsere ruhelosen Gedanken zum Innehalten bringen, das schaffen diese kleinen Geschichten, die sich auch immer mal zwischendurch genießen lassen. Bei Plätzchen und heißer Schokolade oder Punsch, gemütlich im Schaukelstuhl oder wo auch immer.
Bibliographische Angaben: Andreas Malessa, Was gibt’s da zu feiern? Brunnen Verlag, ISBN 978-3-7655-4340-1, € 12,-
Kleine Auszeit gefällig? Etwas Winterromantik? Aber bitte nicht die x-te Liebesgeschichte mit jungem, knackigen Personal?
Ja, das geht. Anja (witzig, den eigenen Namen ständig im Buch zu lesen) ist seit zwei Jahren Witwe, trauert noch immer und stößt deswegen auf Unverständnis. Als es nicht klappt, sich durch immer mehr Arbeit abzulenken, sondern sie im Gegenteil in eine tiefe Krise gerät, nimmt sie sich über Weihnachten eine Auszeit , und dann auch noch auf Juist, wo sie als Abiturientin ihre erste Liebe erlebte. Im Gästebuch des Hotels findet sie einen Eintrag, der ihr verrät, dass Thomas, der Gegenstand dieser Liebe, vor kurzem ebenfalls dort im Urlaub war. Kurzerhand sucht und findet sie seine Kontaktdaten und schreibt ihm. Daraus entwickelt sich eine rege Korrespondenz, denn auch Thomas lebt allein, nachdem einige Jahre vorher seine Ehe gescheitert ist und die Söhne erwachsen wurden.
Keiner von beiden ist sich sicher, was sich hier entwickelt. Schmetterlinge im Bauch mit Ende 50? Kann und darf man sich in diesem Alter noch einmal verlieben? Und wie soll das funktionieren, mit Falten, Zipperlein und dem einen oder anderen Kilo zu viel auf den Rippen? Fragen über Fragen. Kein Wunder, dass es bei den Mails zu Missverständnissen kommt, zumal Anja durch ihr Engagement für ein kleines Mädchen und dessen Tante mit Beschlag belegt wird und Thomas‘ Exfrau plötzlich auf ein Liebescomeback hofft…
Mir hat das Buch gefallen, es bietet ostfriesisches Inselflair, vorweihnachtliches Wetter und eiert auch nicht um die Fragen herum, die man sich im etwas fortgeschrittenen Alter bezüglich seiner Attraktivität und Anziehungskraft durchaus mal stellt. Abwechselnd Selbstzweifel und Überschwang der Gefühle sind eben keine Privilegien der Jugend. Und irgendwann ist Frau einfach damit durch, sich Gedanken über Kinderwunsch, die Alternativen Liebe oder Karriere und andere Themen zu machen, die mit Mitte/Ende 20 tatsächlich noch wichtig sind. Aber es bietet eine willkommene Ablenkung von allem, was unser Leben augenblicklich so unübersichtlich macht, und das ist in diesen Tagen manchmal einfach notwendig.
Bibliographische Angaben: Felicitas Kind, Winterzauber in den Dünen, Piper Taschenbuch, ISBN 978-3-492-31750-4, € 12,-
Erstens: Ich habe es tatsächlich geschafft, drei Tage lang den PC nicht einzuschalten. Ab und zu habe ich übers Smartphone geschaut, was so los ist, aber nicht oft, denn ich mag es nicht, immer hin und her zu wischen, um einen Blogbeitrag wirklich gut lesen zu können.
Heiligabend war ein merkwürdiges Gefühl, ungewohnt entspannt. In den letzten Jahren war immer ab 14 Uhr Gewusel, damit wir es als Mitarbeiter in die jeweiligen Gottesdienste schafften, Konfirmanden in die Kostüme stecken konnten, Texte ein letztes Mal abhören, Lesungen vorbereiten usw. Ich habe mich gefragt, wenn uns als Ehrenamtlichen es so geht, wie ist es dann erst für unsere Pfarrer, die Küsterin, die Kirchenmusiker, für die Weihnachten sonst der absolute Großeinsatz ist?
Keine Gottesdienste vor Ort bedeutete aber auch, dass wir die Zeit nutzen konnten, um einmal „über den Tellerrand“ zu schauen, wir haben uns auf Youtube durch die Online-Angebote der anderen Gemeinden im Kirchenkreis gezappt. Die vielen verschiedenen Ansätze waren spannend zu beobachten.
Von 21 bis 22:30 Uhr war unsere Kirche zur stillen persönlichen Andacht geöffnet, mit Orgelspiel im Hintergrund. An diesem Abend wurde das Angebot auch gut angenommen, einige Familien und Einzelpersonen verbanden es mit einem abendlichen Spaziergang. An den beiden Weihnachtstagen und am Sonntag gab es jeweils zur Gottesdienstzeit auch die offene Kirche und ich freue mich so richtig, dass mit diesem Format Menschen unser schönes altes Kirchengebäude manchmal sogar ganz neu wahrnehmen.
Ansonsten war es vor allem ein Weihnachtsfest mit viel Ruhe, einigen Märchenfilmen und deutlich weniger Essen als „normalerweise“. Und wenn ich mich so umgehört habe, hat die Vorbereitung auf dieses Weihnachten im „Krisenmodus“ einige Leute dazu gebracht, über die Bedeutung von Weihnachten, über Traditionen und Bräuche neu nachzudenken. In jede Richtung: was ist uns eigentlich wirklich wichtig, was schätzen wir? Das merken wir ja häufig erst dann, wenn es fehlt. Im Gegenzug aber auch: worauf können wir verzichten? Was ist eigentlich nur Fassade, weil „es immer so gemacht“ wurde?
Für mich persönlich hat sich herausgestellt, dass ich auf üppige Adventsdeko viel besser verzichten kann als auf einen Weihnachtsbaum. Mit dem Vorschlag von Edgar, in einer großen Vase Tannenzweige aus dem Garten aufzustellen, konnte ich mich nicht so ganz anfreunden, Ökobilanz hin oder her😌. Und gefehlt hat mir das trubelige Zusammensein mit allen unseren Kindern, so vernünftig es auch war, darauf zu verzichten. Ebenso das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gemeinde, der Gänsehautmoment, wenn alle gemeinsam „Oh du fröhliche“ singen, ja, auch das hat gefehlt. Der vollgefressene (Sorry) Bauch dagegen, der hat mir ganz und gar nicht gefehlt.
Ein im wahrsten Sinn des Wortes „merk-würdiges“ Jahr geht zu Ende. Es hat uns vieles abverlangt und uns erschöpft zurückgelassen. Ich hoffe, wir merkenuns, was wir als essentiell und gut empfunden haben und ich hoffe, wir merken, dass ein immer höher und immer weiter nicht die Zukunft sein kann.
Weihnachten 2020 – mit welchen Ansprüchen war dieses Fest im Voraus überfrachtet worden. Irgendwie ja auch verständlich, denn dieses Jahr hatte uns schon so vieler Dinge beraubt, die uns seit vielen Jahren unverzichtbar erscheinen: Der Freiheit, jederzeit überall Kinos, Theater, Konzerte zu besuchen. Den Sommerurlaub mit dem Flugzeug in alle Welt mussten die meisten von uns streichen. Essen gehen wurde größtenteils eine etwas ungemütliche Veranstaltung mit Abstand und vielleicht sogar zwischen Plexiglaswänden… Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie häufig wir diese Freiheiten überhaupt in Anspruch nahmen, damals, vor der Pandemie. Wir konnten es aber zumindest theoretisch fast jederzeit.
Wenn wir uns im November alle „ein bisschen“ einschränken, dann können wir Weihnachten feiern wie gewohnt, so hatten es uns die MinisterpräsidentInnen Ende Oktober ausgemalt: im Kreis der gesamten Familie, mit allen, die uns lieb und wertvoll sind, die wir vielleicht lange nicht sehen konnten. Mir kam es so vor, als würde dieses ganze Weihnachten romantisch verklärt. Hoffentlich ein bisschen Schnee, rechtzeitig zum Kirchgang an Heiligabend, warme Lichter, Glockenklang, Weihnachtslieder und ein gemütliches Zuhause, wo im liebevoll geschmückten Wohnzimmer die Bescherung stattfindet. Ein Bild wie von der Werbeindustrie gezeichnet.
Bitte versteht mich nicht falsch, an alledem ist überhaupt nichts verkehrt, wenn man es in der Familie immer so macht, sich alle dabei wohlfühlen und niemand sich dafür verbiegen muss. Verkehrt wird es dann, wenn alle Erwartungen, die sich das ganze Jahr lang nicht erfüllt haben, auf dieses „heilige Fest der Familie“ gelegt werden. Wenn unbedingt noch ein bisschen „Heile Welt“ sein muss, um dieses vermaledeite Jahr zu einem einigermaßen guten Abschluss zu bringen. Wenn Traditionen herhalten müssen, um Erwartungen zu erfüllen.
Was bedeutet Weihnachten denn heute noch? Ungeachtet der Tatsache, dass auch ich stundenweise im Einzelhandel arbeite, dass es mir vor allem sehr viel Spaß macht, für die unterschiedlichsten KundInnen genau das richtige Buch zu finden, macht es mich traurig, dass an Weihnachten immer stärker Geschenke den Zweck erfüllen, den eigentlich ganz andere Werte erfüllen sollten. Zeit, zuhören, Gemeinsamkeit. Ganz abgesehen von der eigentlichen Bedeutung von Weihnachten: Hoffnung ins Dunkel zu bringen, nicht mit einem großen und mächtigen König, sondern verkörpert von einem kleinen, hilflosen Kind, in Armut geboren.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, in diesem Jahr war der Advent für mich bisher eine ganz besondere Zeit. Zeit, darüber nachzudenken, wie privilegiert doch die allermeisten von uns sind, selbst dann, wenn wir finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, selbst wenn wir keine große intakte Familie haben, die uns Halt gibt. Sogar dann noch, wenn nicht wenige von uns in eine ungewisse Zukunft blicken, nicht wissen, was zum Beispiel mit dem Arbeitsplatz wird. Denn im Gegensatz zu sehr vielen Menschen auf der Welt und auch in unserem Land haben wir, die dieses lesen können, ein Zuhause, mit fließendem Wasser, mit Heizung und mit einem Kühlschrank, in den wir hineingreifen können, wenn wir Hunger haben. Wir sind über vielfältige technische Möglichkeiten mit anderen Menschen verbunden. Wie bescheiden auch immer, wir sind relativ behütet.
Wenn ich durch die Straßen fahre, genieße ich auch die geschmückten Häuser (solange es nicht so übertrieben ist wie in einigen amerikanischen Weihnachtsfilmen😉), habe aber für mich selbst beschlossen, recht zurückhaltend zu sein, was die Beleuchtung angeht.
In Betlehem, vor 2000 Jahren, da war es ein einziger heller Stern, der den Weg wies. Für mich ist es eine kleine Kerze, die in der Finsternis das Licht bringt, die Hoffnung aufzeigt, es wird nicht für immer dunkel sein. Mein eigenes kleines Licht reicht, gemeinsam mit den vielen tausend kleinen Lichtern der Anderen ergibt es das Lichtermeer, das uns die Hoffnung bringt.
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. …“ Diesen Beginn der „Weihnachtsgeschichte“ dürften wohl die allermeisten kennen. Im klassischen Krippenspiel treffen sich Maria und Josef mit hartherzigen Wirten, später dann mit Hirten vom Feld mit ihren Schafen, die von Engeln geschickt wurden und oft auch noch mit drei weisen Männern aus dem Morgenland bei Ochs und Esel im Stall.
Diese Darstellung ist aber das Ergebnis aus einer Zusammenfassung gleich mehrerer Berichte von der Geburt Jesu. Wie vieles in der Bibel kann das schon mal zum Grübeln bringen, wenn jemand feststellt, dass etwas, das in den Weihnachtsgottesdiensten auf eine gewisse Weise rüberkommt, in den schriftlichen Quellen anders aussieht. (Btw, vergleich mal die Verfilmung der „unendlichen Geschichte“ mit dem Buch.)
Die Bibel, das zentrale Schriftwerk der Christenheit, steckt von Anfang an voller teils widersprüchlichen Darstellungen, Missverständnisse und vielem, das uns unverständlich oder gar grausam erscheint. Viele sind dadurch auch abgeschreckt. Das hat auch Christian Nürnberger umgetrieben, und so hat er sich daran gemacht, die essentiellen Geschichten der Bibel, ähnlich wie in einer Kinderbibel, zusammenzufassen. Damit endet die Ähnlichkeit aber auch schon. Denn Nürnberger blendet die Probleme nicht aus, die beim Lesen der Bibel beim Leser entstehen werden, sondern er versucht sie einzuordnen, er dröselt es auf in Form von „Zwischenrufen“. Wie kann es sein, dass Gott im Alten Testament immer wieder anscheinende Totalversager im menschlichen Umgang miteinander einsetzt, um seine Leute anzuleiten? Wie um alles in der Welt kann es einen „Sohn Gottes“ geben und was hat die Jungfrauengeburt damit zu tun? Und wer von uns modernen Menschen soll diese ganzen Wundergeschichten eigentlich glauben, die über Jesus aufgeschrieben wurden?
Mir hat an dem Buch gefallen, dass die LeserInnen als mündige Personen mitgenommen werden. Nicht nur versucht Nürnberger, Ereignisse einzuordnen, die uns heute unverständlich bis paranormal vorkommen, er fragt auch umgekehrt, ob denn alles, was wir heute hineininterpretieren, denn der Weisheit letzter Schluss sein könne?
Ich schätze mal, mit einigem Abstand zu dieser Zeit der kurzen Buchvorstellungen werde ich euch noch ein paar konkrete Beispiele näher zeigen, für heute ist Schluss.
Bibliografische Angaben: Christian Nürnberger, Keine Bibel, Gabriel Verlag, ISBN 978-3-522-30541-9, € 15,- (Österreich € 15,50)
PS: Mit meinen Büchertipps bin ich erstmal durch. Weihnachten und die Zeit zwischen den Jahren kann ich hoffentlich nutzen, um in das eine oder andere Buch genauer reinzulesen oder es sogar (wie revolutionär) in einem Rutsch zu verschlingen. Die großen Highlights des Jahres habt ihr möglicherweise nicht gefunden (warum sollte ich auch den Fitzeck vorstellen, wenn der sowieso gekauft wird wie geschnitten Brot?), aber hoffentlich einen kleinen Überblick über die Vielfalt gewonnen. Auch wenn ich natürlich meine literarischen Steckenpferde habe.
Ich wünsche euch viel Ruhe zum Lesen und entdecken. Wir lesen uns…
Leider müsst ihr heute wieder ohne Bild auskommen, es war gestern in der Buchhandlung ein Zustand erreicht, bei dem ich nicht fotografieren konnte. Aber wenn ihr eure bevorzugte Suchmaschine nach dem Titel fragt, findet ihr auf jeden Fall den zugehörigen Sketch. Der sorgt bei mir für einige Augenblicke Ablenkung und ein breites Grinsen im Gesicht:
Opa: „Früher war mehr Lametta…“ – Vater: „Dieses Jahr bleibt der Baum grün. Naturgrün!“ – Mutter: „Mit frischen Äpfeln.“ Das grüne Bewusstsein wird im nächsten Augenblick durch die Berge an Geschenken mit Massen von Verpackungsmaterial zunichte gemacht, das „Weihnachtsgedicht“ von Sohn Dickie (na, wer weiß es?) schenkt besinnliche Stimmung und spätestens, als das selbstgebastelte Atomkraftwerk explodiert, ist Weihnachten gelaufen.
Wisst ihr was, das ist gepflegte deutsche Spießer-Realsatire. Zwischendurch tut es der Seele gut, sich mit solcher Situationskomik zu beschäftigen, denn seien wir mal ehrlich, was in manchen deutschen Köpfen derzeit an Gedankengängen abläuft, hätte Loriot sich möglicherweise in seinen kühnsten Träumen nicht ersonnen. Vermutlich sitzt er irgendwo auf einer Wolke, schüttelt den Kopf und sagt zu seinen Kumpels „Kannste dir nicht ausdenken…!“
Im Buch findet ihr natürlich nicht nur diesen Sketch, sondern auch andere Einblicke in das Familienleben der Hoppenstedts. Ein skurriles Feuerwerk an allzu menschlichen Macken, die wir möglicherweise peinlich berührt auch bei uns selbst wiederfinden könnten. Und das ganz ohne Feinstaub, Krach und Müll.
Ein Tipp am Rande: Vermutlich habt ihr noch Montag und Dienstag Zeit, euch mit Weihnachts- und Jahreswechsellektüre bei eurem örtlichen Buchdealer persönlich einzudecken. Bitte zieht euch für einen Besuch in der Buchhandlung warm an und nehmt eventuell eine Thermoskanne Tee mit. Es ist damit zu rechnen, dass in den beiden kommenden Tagen eine Stimmung herrscht wie in anderen Jahren am 23. und 24. Dezember, nur eben für einen Kunden pro 20qm. (Wir konnten uns gestern endlich auch mal so ein bisschen fühlen wie ein Elektronikmarkt an dem Tag, wo ein neues iPhone rauskommt😁.) Übrigens: Auch in der Zeit eines Lockdowns werden euch eure BuchhändlerInnen telefonisch oder über ihre Onlinepräsenz mit Rat und Tat zur Seite stehen und auch zusehen, dass eure Bücher zu euch nach Hause geliefert werden.
Habt dann aber auch bitte Verständnis, wenn bei uns Buchverrückten dann und wann die Nerven blank liegen, wenn wir das drölftausendste Mal erklären müssen, dass der ausgesuchte A****n-Self-Publishing-Titel nicht von einem Tag auf den anderen bestellt und geliefert werden kann…
Bibliografische Angaben: Loriot, Weihnachten bei Hoppenstedts, Diogenes, ISBN 978-3-257-02167-7, € 12,- (Österreich € 12,40)
Ich habe einen Adventskalender bekommen! Und zwar nicht irgendeinen, sondern es ist ein bible art journaling-Adventskalender, von Daniela selbstgemacht. Obwohl sie auch schon im letzten Jahr so eine Aktion für unsere kleine, aber begeisterte Gruppe von „in-der-Bibel-Herummalerinnen“ ausgedacht hatte, habe ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass sie die Aktion wiederholt. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, aber ich werde ihn erst morgen aufmachen, und auch erst dann, wenn ich ein bisschen Zeit und keine Hektik habe, also eher zum Abend hin.
Dann und wann werde ich euch teilhaben lassen, was aus den Anregungen entsteht, die Daniela uns gibt. Wenn euch das interessiert, schaut in den nächsten vier Wochen dann und wann in den Menüpunkt bible art journaling hinein.
Der heutige Tipp hat mir die Adventszeit im Jahr 2019 versüßt. Ich hatte da schon zwei andere Romane gelesen, die im „Genießerdorf“ spielten und diesen auch schon im Herbst gekauft, aber sehr diszipliniert bis zum ersten Advent liegen gelassen. Ehrlich gesagt ist es vermutlich auch besser, wenn du als erstes die „Kräuter der Provinz“ liest, weil du dich dann in Maierhofen und seinen Bewohnern schon ein bisschen auskennst.
Die Story ist einfach gute Unterhaltung, ein kleines Dorf, das gerade erst durch ein großes Kräuterfestival zu einem Zusammenhalt gefunden hat, will dieses Gefühl durch den Winter retten. Was liegt da näher, als aus dem gesamten Dorf ein Weihnachtsevent zu machen. Gesagt – getan? Wenn es denn so einfach wäre. Es gibt Querschüsse aus teilweise nicht erahnten Richtungen, Missverständnisse, Neid. Und nicht alle haben dieselben Vorstellungen davon, was ein gelungenes Weihnachtsfest ausmacht. Wie das Leben so spielt, auch in der tiefsten Provinz…
Wenn du keine hochintellektuelle Lektüre suchst, sondern eine Möglichkeit, einfach mal abzuschalten vom stressigen Vorweihnachtstrubel, vielleicht sogar genießerisch in der Badewanne, dann kann ich dir das Buch empfehlen. Es kann sehr entspannend sein, sich ausnahmsweise nur über fiktive Probleme und erfundene … merkwürdige … Menschen aufzuregen😉.
Was mir übrigens am besten gefallen hat, sind umfangreiche Rezeptvorschläge, auch für Geschenke aus der Küche. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Bücher mit Rezepten liebe (nicht nur als Kochbücher!)
Bibliografische Angaben: Petra Durst-Benning, Das Weihnachtsdorf, Blanvalet, ISBN 978-3-7341-0602-6, € 8,99 (Österreich €9,30)
Müll produzieren wir in diesem Jahr 2020 mal wieder reichlich, da es in vielen Supermärkten zeitweise nicht möglich war oder ist, eigene Dosen für Fleisch, Käse und Fisch mitzubringen. Weil wir dann vielleicht auch verstärkt zu vorverpackten Produkten greifen. Oder weil wir Einmal-Masken benutzen, Desinfektionstücher oder andere Hygieneprodukte. Aber auch, weil wir eventuell doch wieder unsere Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, damit sie nicht dicht gedrängt im Schulbus stehen. Oder, oder, oder. Da hilft es dann auch nur bedingt, dass der Urlaub ohne Flugreise stattfand.
Es ist auch klar, das Ruder herumreißen, das schaffen wir vor Weihnachten auch nicht mehr wirklich. Wenn ich im Moment so oft in der Radiowerbung höre, dass „die Geschenke dieses Jahr ein >bisschen< größer ausfallen dürfen“, quasi als Entschädigung für das verkorkste Jahr, dann denke ich: Aber (die Entschädigung besteht) nicht für die Kinder, sondern für die Geschäfte. Ja, ich weiß, diese Meinung ist kontraproduktiv, wenn man im Einzelhandel arbeitet. Aber Bücher gehen eben immer😉. die kann man nie genug haben. – Nein, im Ernst, klar ist es für viele Händler sehr wichtig, dieses Jahr noch mit einem profitablen Weihnachtsgeschäft abzuschließen, das ist unbestritten und das kann ich total nachvollziehen.
Der Mensch in mir, der aber schon lange unter der Last des Überflusses ächzt, der möchte laut rufen: „Schaltet doch mal einen Gang zurück!“ und feiert dieses Buch, das ich euch heute zeige. Schon allein das Vorwort, auf dem Foto oben rechts zu lesen, zeigt ganz gut, worauf es abzielt. Das Buch ist nicht dafür gedacht, dass man es von vorn bis hinten durchziehen muss (schadet aber auch nix, wenn man es tut), aber es sind viele schöne Tipps darin, wie man ohne großen Aufwand beispielsweise schöne Deko aus vorhandenen Materialien basteln kann, wie man sein Weihnachtsessen ohne tierische Produkte zelebrieren kann, oder auch, wie man dem Stress entfliehen kann (den man sich meist ja selbst macht) und statt dessen mit der Kernfamilie die Ruhe und Besinnlichkeit von Weihnachten (neu) entdecken kann. Nichts davon mit erhobenem Zeigefinger, aber mit Liebe und praktischen Informationen (zum Beispiel zum Thema fair gehandelte Weihnachtsbäume).
So sehr ich auch verstehen kann, weshalb gerade in diesem Jahr der Wunsch besteht, sich selbst zu belohnen, indem man sich vor dem Jahresendspurt einfach nochmal etwas schönes neues „gönnt“: dieser Ansatz des Innehaltens vor dem Fest, das für viele das schönste des ganzen Jahres ist, der gefällt mir sehr gut. (Ganz davon abgesehen, dass sich für sehr viele Familien überhaupt nicht die Frage stellt, ob es „etwas mehr sein“ darf, weil Kurzarbeit, mangelnde berufliche Perspektive oder die drohende Firmeninsolvenz im Raum steht.)
Bibliografische Angaben: Anna Brachetti, Einfach nachhaltig – Weihnachten, Verlag EMF, ISBN 9783-7459-0083-5, € 14,99 (Österreich € 15,50)
Das Buch, das ich euch heute vorstelle, habe ich letztes Jahr von Sandra zu Weihnachten bekommen, mit dem freundlichen Hinweis „Vielleicht kannst du es nächstes Jahr für etwas gebrauchen“. Nun hat sie ja nicht ahnen können, dass in diesem Jahr fast die ganze Jugendarbeit mehr oder weniger brachliegt oder zumindest ganz anders abläuft als „normal“.
Aber doch, ich kann das Buch sehr gut gebrauchen, um damit ein bisschen schrägen evangelischen Humor und menschelnde Nachdenklichkeit in die Zeit der Dunkelheit zu bringen und natürlich, um es euch heute ans Herz zu legen.
Es beginnt schon schräg, wenn Gott meint, dass er eine Frau braucht und die Engel (wenn es denn unbedingt sein muss…) offensichtlich ganz andere Vorstellungen von der passenden Kandidatin haben als der Höchste selbst. Es geht weiter mit den unkonventionellen Ideen, wenn Gott der gesamten Welt die Energiezufuhr abdreht, damit die Menschen mal wieder zur Ruhe kommen und endet noch längst nicht mit dem „Brausefabrikanten“, der einen Mann im roten Mantel durch die Kamine schickt, aber die Besorgung der Geschenke an die Eltern der Kinder delegiert.
Lauter unkonventionelle Geschichten rund um das Thema Weihnachten mit allen möglichen Fragen, die Gott hypothetisch haben könnte zu der Art und Weise, wie wir heute meinen, dass Weihnachten so und nicht anders gefeiert werden müsste. Aber auch sehr nachdenkliche Impulse gibt das Buch, zum Beispiel in der Geschichte „Jakob lächelt“, in der es um das Verhältnis von Leben und dem Schmerz geht, der zum Leben nun mal dazugehört.
Das Buch ist für alle, die gern über den Tellerrand sehen, die sich auch mal ungewöhnliche Gedanken machen zu den Themen, die seit Jahrhunderten anscheinend in Stein gemeißelt sind oder die es einfach mögen, andere Blickwinkel einzunehmen. Ganz bestimmt nicht geeignet ist es dagegen für Menschen, die ihren Glauben absolut setzen, keine Abweichungen von Althergebrachtem dulden und zum Lachen in den tiefsten Keller gehen.
Bibliografische Angaben: Susanne Niemeyer, Jesus klingelt, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-03215-8, € 10,- (Österreich € 10,30)
Wenn ich mir dieses Buch ansehe, wünsche ich mir wahlweise, 10-20 Jahre in der Zeit zurückzureisen oder Enkelkinder😀. (Keine Angst Mädels, das war kein Wink mit dem Zaunpfahl. Ich wäre ja keine begeisterte Buchhändlerin, wenn mir nicht eine dritte Möglichkeit einfallen würde.)
Beim Anschauen fällt mir als erstes die pfiffige Gestaltung mit modernen Illustrationen auf, die sich von Weihnachtsbackbüchern à la „Zwergenstübchen“ (obwohl ich das auch mag) sehr wohltuend abhebt. Als nächstes treffe ich auf Grundlagenwissen, das hier so toll aufbereitet ist, dass ich es mir in manchem Grundbackbuch für Erwachsene so liebevoll erklärt wünsche.
Und das dritte ist die Aufteilung des Registers, denn das ist sortiert nach Zutaten und Teigarten. Ich kann also überlegen, was ich denn noch mit meinen unterschiedlichen Nussvorräten anfangen könnte oder zielstrebig sagen: „Heute möchte ich etwas mit Streuselteig backen“ (Womit wir bei den tollen Crumble-Rezepten wären, lecker!)
Die Rezepte sind so ausgesucht, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist, sie aber ohne Minimengen von irgendwelchen exotischen Zutaten auskommen, die man hinterher nie wieder braucht. Außerdem ist für unterschiedliche Ausdauerstufen der kleinen und großen BäckerInnen gesorgt, auch die motorischen Fähigkeiten können mit dem Benutzen des Buches gemeinsam wachsen.
Mein Fazit: Wenn ihr und eure Kids in den nächsten Tagen oder Wochen noch in Quarantäne müsst oder einfach nur so Spaß am Backen habt, dann besorgt euch das Buch. Ich werde dann mal mit Kathrin ausprobieren, ob man den Titel erweitern könnte auf „Backen mit Kids, Teens und Eltern“.
Bibliografische Angaben: Backen mit Kids – Weihnachten, Verlag EMF, ISBN 978-3-96093-858-3, € 15,- (Österreich € 15,50)
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.